Gefängnis im Grünen

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Landschaftsökologie: Die neue JVA Münster verschwindet optisch hinter 13.000 Bäumen und Sträuchern

Mit seinen über 4.000 Immobilien prägt der BLB NRW an zahlreichen nordrhein-westfälischen Orten Stadt- und Landschaftsbild. Viele unserer Liegenschaften besitzen Strahlkraft und sind sichtbar. Es kann aber auch ganz anders sein. Zum Beispiel beim Neubau der Justizvollzugsanstalt (JVA) Münster.
 

Projektbesprechung zu den Biotopen zwischen Architekten und Niederlassungsleiter
© BLB NRW
Projektbesprechung

Sind zuversichtlich, dass sich die Biotope rund um die neue JVA Münster gut entwickeln werden: die Architekten Stefan Breckenkamp (li.) und Martin Willers (re.) mit Niederlassungsleiter Markus Vieth (Mitte) beim Ortstermin.

Dafür pflanzte der BLB NRW rund um das Grundstück der neuen JVA knapp 13.000 heimische Bäume und Sträucher. In dieser Größenordnung ein Novum für unser Planungsteam. Und ein spannender Ausflug in die Landschaftsökologie. Die Einblicke-Redaktion hat sich das Ganze vor Ort näher angesehen. Nach Überquerung der B51 führt die Wolbecker Straße von Münster stadtauswärts schnell ins Ländliche. Wir passieren ein Ausflugsrestaurant und fahren dann durch Wiesen und Felder umsäumt von meterhohen Baum- und Strauchhecken, verstreut dazwischen immer mal wieder ein Bauernhof – die berühmte Münsterländer Parklandschaft. Noch ein paar Kilometer und wir biegen nach links ab. Von hier aus können wir das weitläufige Baufeld für die neue Justizvollzugsanstalt im Außenbereich von Münster-Wolbeck bereits gut erkennen. Die über fünf Meter hohe und gut einen Kilometer lange Haftmauer steht schon. „Das gesamte Gelände ist 18 Hektar groß, was etwa 25 Fußballfeldern entspricht“, berichtet der Projektverantwortliche Martin Willers aus der Münsteraner BLB NRW-Niederlassung, die den Neubau für das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen realisiert. Wie meistens ist der Architekt mit dem Rad zur Baustelle gekommen. „Das eigentliche Baugrundstück mit der Haftmauer ist etwa acht Hektar groß. Einen großen Teil der übrigen Fläche nutzen wir für umfassende Ausgleichsmaßnahmen.“

Bestmögliche Anpassung an Münsterländer Parklandschaft

Buchstäblich auf der grünen Wiese errichtet der BLB NRW die neue JVA. Der Neubau ist erforderlich, weil die bisherige Haftanstalt im Zentrum von Münster modernen Anforderungen an den Haftvollzug nicht mehr genügt. Eine bauliche Modernisierung der zum Teil fast 180 Jahre alten Gebäude für den Justizvollzug ist nicht möglich. Der Entscheidung für den Standort Wolbeck war ein intensiver Findungsprozess vorausgegangen. „Die Standortsuche war weder leicht, noch haben wir es uns damit leicht gemacht“, bringt der technische Leiter der Niederlassung Münster, Markus Vieth, das komplexe Verfahren auf den Punkt. „Gemeinsam mit zwei Fachbüros führten wir eine gesamträumliche Analyse durch. Ausschlaggebend waren justizrelevante, regionalplanerische und umweltfachliche Aspekte.“ Dabei stellte sich das Wolbecker Grundstück als am besten geeignet heraus. 


Markus Vieth
BLB NRW Niederlassungsleiter
"Die Standortsuche war weder leicht, noch haben wir es uns damit leicht gemacht."

„In den folgenden Gesprächen mit der Stadt Münster legten wir fest, dass sich der Neubau im Außenbereich bestmöglich an die umgebende westfälische Kulturlandschaft anpassen soll“, so Vieth. Und wie könnte dies besser erreicht werden als durch eine regionaltypische Hecke? So, wie sie seit Jahrhunderten das Landschaftsbild im Münsterland prägt. Früher dienten die Hecken rund um Äcker und Wiesen als Grenzbefestigung, natürliche Einzäunung für das Vieh, als Windschutz und Brennholzlieferant. Durch die industrielle Landwirtschaft verloren die Anpflanzungen zunehmend an Bedeutung. Zwar gingen die Hecken deshalb auch im Münsterland zurück. Ein wichtiger Bestandteil der regionalen Identität sind sie trotzdem noch und darüber hinaus ein touristischer Anziehungspunkt. Und nicht nur das: Mit ihren vielfältigen Lebensräumen sorgen die Hecken zwischen den intensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen für mehr Biodiversität. Und damit passen sie auch hervorragend zur ökologischen Kompensation für den JVA-Neubau. „Für den Bauantrag haben wir eine Vielzahl an ökologischen Gutachten erstellen lassen“, berichtet Martin Willers. „Neben landschaftspflegerischen Begleitplänen führten Fachbüros zum Beispiel auch Fledermauskartierungen, Vogeluntersuchungen sowie eine Erfassung der hier lebenden Amphibien durch. Um artenschutzrechtliche Konflikte sicher auszuschließen, haben wir dann verschiedene Maßnahmen umgesetzt.“ Unter anderem entstanden Ausgleichsflächen für Kiebitze und Feldlerchen, die von den Vögeln sehr gut angenommen werden.

Das Baufeld, auf dem die neue JVA Münster entsteht
© BLB NRW
JVA im Grünen

In einigen Jahren wird die neue Haftanstalt im Außenbereich Münsters nur noch aus der Vogelperspektive gut zu erkennen sein. Von ebener Erde aus betrachtet, werden Haftmauer und Gebäude hinter einer meterhohen Hecke optisch verschwunden sein. 

Alleskönner Hecken

Rund um das Gelände zieht sich seit kurzem zudem ein bis zu 25 Meter breiter Streifen mit neu angepflanzten Gehölzen. Neben hüfthohen Sträuchern befinden sich auch bereits sechs Meter hohe Bäume dazwischen. „Wir haben extra auch ältere und damit höhere Bäume eingesetzt, damit die Hecke die Haftmauer nach Fertigstellung des Neubaus schon gut verbirgt“, so der Architekt. In etwa zehn Jahren soll die neue JVA dann hinter einer rund neun Meter hohen Hecke optisch verschwunden sein. Später werden die Bäume eine Höhe von bis zu 30 Metern erreichen. Anwohnerinnen und Anwohner, Besucherinnen und Besucher der JVA oder Erholungssuchende werden statt Mauern Eichen, Buchen und Vogelkirschen sehen oder Wildrosen, Brombeeren und Holunder. Die bunte Zusammenstellung heimischer Pflanzen, wie Schwarzerle, Feldahorn und Birke, Schlehe, Weißdorn oder Pfaffenhütchen, macht die Hecke zu einem wertvollen Lebensraum für Tiere und weitere Pflanzenarten. Hier finden Kleinsäuger Schlupfwinkel und Vögel Nistplätze. Die Früchte der verschiedenen Gehölze bieten vielen heimischen Vogelarten Nahrung. Laut Naturschutzbund Deutschland e.V. ernährt allein der Weißdorn 32 verschiedene Vogelarten. Darüber hinaus können die natürlichen Begrenzungen auch das Mikroklima positiv beeinflussen, indem sie an heißen Tagen eine kühlende Wirkung haben und in Trockenperioden den Wasserverlust des Bodens verzögern. „Unsere Hecken werden aber vor allem eine wichtige Funktion als sogenannte Trittsteine bei der Vernetzung von Biotopen haben“, erläutert Willers. „Tiere können sie als Verbindung zwischen Lebensräumen nutzen, bei der Nahrungssuche, der Wanderung zu Paarungsorten oder zu Überwinterungsquartieren.“ Was viele nicht wissen: Neu gepflanzte Hecken sind auch echte Klimaschützer. Wie aktuelle Studienergebnisse gezeigt haben, binden sie sehr effektiv CO2 aus der Atmosphäre. 

  • Eine Visualisierung der geplanten JVA-Pforte
    © BLB NRW
    Einfügung in die landschaftliche Umgebung

    Unsere Visualisierung zeigt das Pfortengebäude der neuen JVA Münster an der Telgter Straße.

  • Eine Übersicht zu den Indachmodulen der Gebäude
    © BLB NRW
    Großer Energiespender

    Die neue JVA Münster wird auch jede Menge grüne Energie spenden. Alle Gebäude werden mit Photovoltaik-Modulen ausgestattet. Gesamtleistung: über 4 Megawatt-Peak.

  • Zwischen Grünfläche und Betonmauer

    Die neue JVA platziert sich mitten in der Grün- und Naturlandschaft. Die abgrenzende Haftmauer symbolisiert die Präsenz im ökologischen Quartier. 

Der neue Standort ist für uns ein klares Plus

Bei den JVA-Beschäftigten kommt das Begrünungskonzept am zukünftigen Standort gut an: „Ich finde die Vorstellung sehr angenehm, dass die insgesamt 14 Gefängnisbauten und die Mauer nicht weithin sichtbar einfach auf die grüne Wiese gebaut werden“, sagt Carsten Heim, Leiter der JVA Münster. Für die Haftanstalt ist der Umzug von der Innenstadt in den Außenbereich ein großer Schritt. „Natürlich werden wir zukünftig weitere Wege haben, zum Beispiel bei Behördengängen der Inhaftierten. Aber insgesamt ist der neue Standort mit seinen deutlich besseren Möglichkeiten für einen modernen Behandlungsvollzug ein klares Plus für uns.“ Carsten Heim sieht noch einen weiteren Vorteil: „Ich kann mir gut vorstellen, dass die umgebende Natur, die Möglichkeit ins Grüne zu schauen, sich positiv auf die Inhaftierten und damit auch auf den Resozialisierungserfolg auswirken kann.“ 


"Das Biotop wird auch das Nahrungsangebot für hier lebende Fledermäuse, Kiebitze, Feldlerchen und Waldschnepfen verbessern."
Stefan Breckenkamp
Projektteammitglied

Anpflanzungen auf dem Gelände zur Frühjahreszeit
© BLB NRW
Frühjährliche Anpflanzung

Die umliegende Landschaft wurde ökologisch aufgewertet und bildet ein Biotop für hier lebende Tiere.

Auenlandschaft bereichert Speiseplan für Vögel und Kleinsäuger

Die großzügige Begrünung ist aber keineswegs die einzige Kompensationsmaßnahme beim Neubau der Münsteraner JVA. Früher durchzogen zwei Entwässerungsgräben das Baugrundstück, die laut Gutachten wegen ihrer Begradigung und teilweisen Verrohrung keine naturnahen Strukturen aufwiesen. „Die Gräben haben wir an den Grundstücksrand verlegt und dabei den Hochwasserschutz und vor allem auch die Gewässerökologie deutlich verbessert“, berichtet Projektteammitglied Stefan Breckenkamp vom BLB NRW. Der verlegte Graben hat nun einen leicht geschwungenen Verlauf mit wechselnden Böschungsneigungen. Auch hier wurde der Uferbereich mit heimischen Gehölzen bepflanzt. Der Architekt weist auf eine an manchen Stellen 14 Meter breite, sanft abfallende Vertiefung an der östlichen Grundstücksgrenze, die ebenfalls beidseitig bepflanzt ist. „Bei starkem Regen oder Hochwasser dient dieser Bereich als Überflutungsfläche. Mittelfristig wird sich daraus eine natürliche Auenlandschaft entwickeln. Das Biotop wird auch das Nahrungsangebot für hier lebende Fledermäuse, Kiebitze, Feldlerchen und Waldschnepfen verbessern.“. Und zwar zusätzlich zu den artenreichen Mähwiesen rund um den Neubau sowie der Streuobstwiese, die der BLB NRW bereits angelegt hat. „Wir haben die Fauna und Flora aber nicht nur bei unseren Ausgleichsmaß - nahmen im Blick, sondern auch beim Gefängnisbau selbst“, betont Stefan Breckenkamp. So haben sich aus der artenschutzrechtlichen Prüfung zum Beispiel Vorgaben für die Außenbeleuchtung der JVA ergeben. „In einem Beleuchtungskonzept werden wir die Ausrichtung der Lampen, ihre Höhe und Anzahl sowie die Lichtfarbe detailliert festlegen.“ Ziel ist der Erhalt von sogenannten Dunkelräumen für die nächtliche Jagd der Fledermäuse. „Wir sind schon sehr gespannt, wie es in ein paar Jahren rund um die neue JVA aussehen wird“, sagt Markus Vieth. Der Niederlassungsleiter ist mit Martin Willers und Stefan Breckenkamp bis zum nördlichen Grundstückssende gegangen, das an eine Waldfläche grenzt. „Es ist ein besonderer Standort und das erfordert eben auch ganz besondere Maßnahmen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass sich die Biotope hier sehr gut entwickeln werden.“ 


Dieser Beitrag erschien 2024 in unserer Publikation "Einblicke". Die vollständige Ausgabe finden Sie hier.

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