Treue Begleiter
Zum Umgang mit öffentlich geförderter Kunst
Baukörper, Raumwirkung, Licht und Material prägen die Architektur der Moderne. Zu unserer kollektiven Vorstellung von öffentlichen Gebäuden gehören aber auch die Kunst und Bau-Kunstwerke, die häufig mit ihnen in Verbindung stehen.
Von klassischen Skulpturen und Gemälden über Wandreliefs und gestaltete Fenster bis hin zu gärtnerischen Anlagen: Kunst und Bau-Objekte können verschiedenste Formen annehmen. Ihnen allen ist gemein, dass sie öffentliche Gebäude zieren und zur Zeit ihrer Entstehung mit städtischen, Landes- oder Bundesmitteln gefördert wurden. Bei Kunst und Bau beziehen sich zwei eigenständige Werke aus Kunst und Architektur aufeinander, erzeugen eine Spannung und verändern so ihr Umfeld. Dabei stehen sie nicht etwa in Konkurrenz zueinander, sondern ergänzen und bereichern sich gegenseitig.
Wie an, in und vor vielen anderen Behörden sind durch Kunst und Bau entstandene Werke auch an, in und vor den meisten Gebäuden des BLB NRW präsent. Sie begrüßen die Gebäudenutzerinnen und -nutzer auf dem Vorplatz, beim Betreten eines Gebäudes oder auf dem Gang. Sofern erforderlich, werden sie vom BLB NRW regelmäßig geprüft, gepflegt und bei Bedarf gereinigt.
Das ist Kunst – aber kann das weg?
Doch was passiert, wenn eine Liegenschaft verändert, verkauft oder abgerissen werden soll? Dann stellt sich häufig die Frage, was mit der dort vorhandenen Kunst geschieht. Grundsätzlich verbleibt das Kunstwerk – wenn ein Käufer das Gebäude erhalten will – an seinem angestammten Ort, es wird vom Erwerber mitgekauft. Schwieriger ist die Entscheidung, wenn klar ist, dass sich das Umfeld des Werks stark verändern wird, wenn das Objekt Teil der Bausubstanz ist oder wenn es so schwer beschädigt ist, dass eine Wiederherstellung zu vertretbaren Kosten fraglich ist.
Solche Entscheidungen treffen die Fachleute des BLB NRW in Absprache mit dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft, in vielen Fällen nach einer Begutachtung durch externe Kunstsachverständige. Gemeinsames Ziel ist es, Lösungen für den Umgang mit den Kunstwerken herbeizuführen und den künstlerischen Wert möglichst zu bewahren. Wo ein Erhalt am Ende nicht mehr möglich ist, erfolgt eine Dokumentation zu bau- und kunsthistorischen Zwecken, sodass das Kunstwerk der Nachwelt zumindest digital erhalten bleibt. Im Folgenden möchten wir Ihnen gerne zwei Kunstwerke vorstellen, deren Geschichte ein glückliches Ende hatte.
Entscheidung für die Zukunft
Im Jahr 2015 bezog die Fachhochschule Bielefeld (FH), die bis dahin auf mehrere Standorte im Bielefelder Stadtgebiet verteilt war, ein neues, zentrales Gebäude auf dem sogenannten Campus Nord in der Nähe der bestehenden Universität. Zwei bedeutende Skulpturen im Außenraum zweier Altstandorte der Fachhochschule verblieben nach dem Umzug zunächst an ihrem alten Platz: die „Sphère Trames“ (Sphärisches Raster) des französischen Künstlers François Morellet sowie die Skulptur „Entfaltung“ von Hans Uhlmann, einem der wichtigsten Bildhauer Deutschlands, dessen abstrakte Metallplastiken stilbildend für die Nachkriegszeit waren.
Sphère Trames – konkrete Campus-Kunst
Die Großplastik Sphère Trames (Sphärisches Raster) stand seit 1974 in einem frei zugänglichen Hof der Fachhochschule Bielefeld an der Kurt-Schumacher-Straße. François Morellet, einer der wichtigsten Vertreter der Konkreten Kunst in Frankreich, stellte die Kugelplastik damals selbst mit auf. In seiner Karriere hat der Franzose mehrere Kunstwerke dieses Typs geschaffen. Ungewöhnlich ist die Größe des Objekts: Die Bielefelder Kugel hat einen Durchmesser von fünf Metern und ist damit die größte der Werkreihe. Nach dem Umzug der Fachhochschule kehrte Ruhe am alten Standort ein. Es herrschte nur noch wenig Betrieb und das Kunstwerk geriet ein wenig in Vergessenheit.
Sphère Trames - François Morellet (1926–2016)
Gesteckte Edelstahlrohre auf Betonplatten, Durchmesser der Skulptur ca. 500 cm, Maße der Plinthe ca. 700 x 700 cm. Entwurf 1962. Die Skulptur wurde 1974 durch den Künstler am heutigen Standort installiert.) Gesteckte Edelstahlrohre auf Betonplatten, Durchmesser der Skulptur ca. 500 cm, Maße der Plinthe ca. 700 x 700 cm. Entwurf 1962. Die Skulptur wurde 1974 durch den Künstler am heutigen Standort installiert.
Bei einer Begutachtung im Jahr 2018 war die Sphère stark bewachsen und vor allem konstruktiv angegriffen. Einzelne Rohre waren durch Vandalismus abgebrochen, geknickt oder verbogen. Der BLB NRW und die Bielefelder Öffentlichkeit waren angesichts des Zustands alarmiert. Auch im Hinblick auf einen möglichen Verkauf des leerstehenden Areals musste eine Entscheidung über die Zukunft des Kunstwerks getroffen werden. Ob der BLB NRW als Grundstückseigentümer aber automatisch auch für die dort befindlichen Kunstobjekte zuständig ist, war zunächst fraglich, denn laut Gesetz waren bei der Gründung des BLB NRW nur Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte an den BLB NRW übergegangen. Ein Erlass des Ministeriums der Finanzen vom März 2019 schaffte schließlich Klarheit und die Verantwortlichkeit für das Kunstwerk wurde auch offiziell an den BLB NRW übertragen, verbunden mit der Aufforderung zur Sanierung und Aufstellung an einem neuen Ort. Dieser Aufforderung sind die Verantwortlichen in der Niederlassung Bielefeld gerne nachgekommen.
Neuer Glanz für ein altes Kunstwerk
Momentan wird das Kunstwerk in Duisburg aufwendig restauriert. Die Kunstrestauratorinnen und -restauratoren des Restaurierungsbetriebs „Die Schmiede“ sind mit der Arbeit an Morellet Plastiken bestens vertraut, denn Sphère Trames ist bereits das zweite Werk des Künstlers, das hier sorgfältig aufgearbeitet wird, um es in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Die präzise Wiederherstellung der dreidimensionalen Gitterstruktur aus dünnwandigem Edelstahlrohr ist auch für die erfahrenen Fachleute eine anspruchsvolle und herausfordernde Aufgabe, die neben Materialkenntnis, Improvisationsfähigkeit und handwerklichem Können viel Geduld erfordert.
Die Großplastik ließ sich zum Transport in vier Segmente zerlegen. Bei einem Werkstattbesuch Ende 2020 hängt einer dieser Teile, fest mit mehreren Spanngurten verzurrt, zwischen deckenhohen Stahlträgern. „Dieser Teil der Plastik sah besonders schlimm aus“, erzählt Restauratorin Nicole Aretz, die die Arbeiten an diesem Werk betreut. „Die Stäbe sind zum Teil vollkommen verbogen und viele Schweißpunkte haben sich gelöst. Deshalb führen wir gerade Richtarbeiten durch.“ Die Restaurierung der komplexen Skulptur ist sehr kleinteilig und filigran, geht jedoch gut voran. Regelmäßig wird der Teil der Skulptur, an dem gerade gearbeitet wird, gedreht. So kommen die Spezialisten an jeden einzelnen Punkt heran und können aus allen Blickrichtungen überprüfen, ob die einzelnen Stäbe im richtigen Winkel zueinanderstehen. Sobald verformte Rohre wieder begradigt sind, werden sie festgeschweißt, um der Gesamtkonstruktion Stabilität zu verleihen. „Wir versuchen, die Originalteile zu erhalten. Nur wenn eine Stange absolut unbrauchbar ist, tauschen wir sie aus“, erklärt Aretz.
Nach der Restauration bereichert die Plastik den neuen FH-Standort
Der Idee nach steht die Kunst bei Kunst und Bau immer in Beziehung zu dem Gebäude, für das sie geschaffen wurde. Diese Symbiose gilt es auch dann zu bewahren, wenn sich der Nutzer oder der Eigentümer des Gebäudes verändert. In Fall der Sphère Trames hat man sich trotzdem für die Aufstellung an einem neuen Ort entscheiden müssen. Einerseits war die Zukunft des ehemaligen Fachhochschulareals ungewiss – es drohte sogar der Untergang des Kunstwerks durch Verkauf oder Abriss. Andererseits sollte die fragile Arbeit zukünftig in einem geschützten Umfeld installiert werden, um erneute Beschädigungen zu verhindern.
Nach der Restaurierung wird Sphère Trames deshalb noch in diesem Jahr im großen Innenhof des Neubaus der Fachhochschule Bielefeld aufgestellt – zur Freude der Hochschule, die ihr Kunstwerk zurückerhält, und mit Zustimmung von Madame Danielle Morellet, der Witwe und Nachlassverwalterin des Künstlers.
NRW-Ministerin für Kultur und Wissenschaft weiht im Dezember 2021 die Außenplastiken an der FH Bielefeld ein
Gastspiel in Berlin: Uhlmanns Entfaltung im Haus am Waldsee
Zum zweiten Kunstwerk, der Entfaltung von Hans Uhlmann, erreichte die BLB NRW Niederlassung Bielefeld im Februar 2019 ein Anruf. Am anderen Ende: die Ausstellungsmanagerin des „Haus am Waldsee“, einem der ersten Häuser für internationale zeitgenössische Kunst in Berlin. In der Retrospektive „Biester der Zeit“ sollten Werke des Briten Lynn Chadwick, einem führenden Nachkriegskünstler, neben zwei Arbeiten der deutschen Bildhauer Hans Uhlmann (1900–1975) und Katja Strunz (*1970) ausgestellt werden. Die Berliner traten mit der Bitte an den BLB NRW heran, die etwa 270 Zentimeter hohe Stahlskulptur, die seit 1966 auf einem mit Muschelkalkplatten verblendeten Betonsockel vor dem ehemaligen FH-Standort in der Wilhelm-BertelsmannStraße stand, für die Ausstellung entleihen zu dürfen
Die Niederlassung Bielefeld stimmte der Leihgabe der Skulptur an das renommierte Haus zu, denn Kunst muss gezeigt werden, damit sie auch gesehen werden kann. Die geplante Ausstellung im Haus am Waldsee war dazu ideal. Ein nicht ganz unerwünschter Nebeneffekt einer solchen Ausstellungsteilnahme liegt auch in der Steigerung der Bekanntheit des Künstlers und seiner Werke, die letztlich auch dem Wert der Bielefelder Skulptur förderlich ist.
Entfaltung Hans Uhlmann (1900–1975)
Nichtrostender Chrom-Nickel-Stahl, ca. 270 x 150 x 160 cm auf mit Muschelkalkplatten verblendetem Betonsockel. Entwurf 1965. Die Skulptur wurde 1966 erworben.
Im Gegensatz zum Morellet befand sich der Uhlmann, von ein paar witterungsbedingten Verschmutzungen abgesehen, in einem tadellosen Zustand. Bei der Skulptur aus Chrom-Nickel-Stahl handelt es sich um eine Figuration aus geometrischen Einzelelementen. Uhlmann befasste sich zwischen 1954 und 1972 mit Faltungen und Entfaltungen und kreierte in dieser Zeit weitere Werke, die dieses Motiv aufgreifen.
Uhlmanns Entfaltung war eines der Hauptexponate der Berliner Ausstellung und wurde nach deren Ende zurück nach Bielefeld transportiert, wo sie zunächst eingelagert wurde. Auch für diese Skulptur konnte zwischenzeitlich ein neuer Aufstellort in einem Innenhof des FH-Neubaus gefunden werden, sodass auch dieses Kunstwerk an die Fachhochschule zurückkehrt. Die Neuaufstellung ist ebenfalls für 2021 geplant.
Eine kurze Geschichte von Kunst und Bau
Kunst und Bau ist im Prinzip nichts Neues. Schon vor mehr als 15.000 Jahren haben Menschen Gestaltungswillen gezeigt. Mit Malereien etwa in den Höhlen von Altamira und Lascaux haben sie sich künstlerisch mit ihrer unmittelbaren Lebensumwelt auseinandergesetzt. Die Völker des Altertums, etwa Griechen und Römer, schmückten Tempel und Bauwerke mit Figuren ihrer Gottheiten, Mosaiken und vielem mehr. Von aufwendig geschnitzten Friesen an mittelalterlichen Fachwerkhäusern über die Üppigkeit des Barock war figürlicher Schmuck bis in die Gründerzeit ein fester Bestandteil an den Fassaden und in den Innenräumen von repräsentativen Bauwerken.
Kampf der Ornamentik – die Neue Sachlichkeit
Erst mit der Architektur der Neuen Sachlichkeit und dem Bauhaus geriet die bis dahin selbstverständliche Allianz zwischen Bauhandwerk und bildender Kunst in Auflösung: „Evolution der Kultur ist gleichbedeutend mit dem Entfernen des Ornamentes aus dem Gebrauchsgegenstande“, schrieb 1908 Adolf Loos, ein Wegbereiter der modernen Architektur. Und dann wurden Kunst und Kulturschaffende auch noch von der dramatischen wirtschaftlichen Lage nach dem Ersten Weltkrieg besonders hart getroffen.
100 Jahre Kunst und Bau
In dieser Situation berief sich der Reichsverband bildender Künstler auf Artikel 142 der Weimarer Reichsverfassung, der dem Staat den Schutz und die Pflege der Kunst gebietet – die Geburtsstunde der formal als Förderprogramm organisierten „Kunst am Bau“, wie sie fortan für viele Jahrzehnte hieß. Ein feststehender Anteil der Baukosten von öffentlichen Gebäuden wurde fortan für deren Ausstattung mit Kunst aufgewendet. Diese staatliche Finanzierung zur Kunstförderung gibt es bis heute, nur dass man mittlerweile von „Kunst und Bau“ spricht, um die Gleichrangigkeit von Kunst und Architektur zu verdeutlichen.
Zur Bestimmung einer geeigneten Künstlerin oder eines geeigneten Künstlers werden übrigens in der Regel Wettbewerbe durchgeführt, die entweder offen sind oder zu denen Kunstschaffende eingeladen werden.
Wieder mehr Kunst für Nordrhein-Westfalen
Mit Einführung der neuen Richtlinie im Dezember 2021 für Kunst und Bau bei herausgehobenen Baumaßnahmen des Landes Nordrhein-Westfalen, wurde der Kunst wieder ein größerer Stellenwert eingeräumt.
Für herausgehobene Baumaßnahmen gilt seit dem, dass ein pauschaler, prozentualer Anteil der Baukosten für ein Kunst und Bau Projekt angesetzt wird.