Denkmäler in NRW: Polizeiwache Münster

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Denkmäler in NRW: Polizeiwache Münster

Pionierarbeit des Bauens

Das Gebäude an der Gutenbergstraße in Münster erzählt von neuen Architekturansätzen und einem düsteren Kapitel unserer Geschichte.

Gebäude-Steckbrief

  • Adresse: Gutenbergstraße 17 – 18, 48145 Münster
  • Bauzeit: 1911-1912
  • Archtitekt: Alfred Hensen
  • (Ursprüngliche) Nutzung: Steinbruchsberufsgenossenschaft
  • Denkmal seit: 1984
  • Nutzfläche in m²: ca. 1.400 m²
  • Architekturstil: Neobarock
  • Besonders beachtenswert: Das dreistöckige Gebäude ist ein seltenes Beispiel zeitgenössischer Architektur vor dem Ersten Weltkrieg. Von den Fundamenten bis zum Dach ist es aus Stahlbeton ausgeführt. Als Baumaterial war Stahlbeton zwar seit Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt. Für Münster war diese Bauweise 1911 allerdings noch außergewöhnlich. Neuartig ist auch die Dachform: Sie ähnelt einem zweistufigen Mansarddach, hat jedoch anstelle der Neigung ein terrassenförmiges Dach und lotrechte Seitenwände
  • Instandsetzungsmaßnahme: Laufende Unterhaltungsbaumaßnahmen

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstand an der Gutenbergstraße 17 in Münster ein Gebäude, das hinsichtlich Material und Form neuartig war:

Von den Fundamenten bis zum Dach ist das 3-stöckige Gebäude aus Stahlbeton ausgeführt. Bauteile, die bislang üblicherweise aus Ziegeln, Steinen oder Holz gefertigt wurden, sind hier konsequent in Beton gegossen. Als Baumaterial war Stahlbeton zwar seit Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt. Für Münster war diese Bauweise 1911 allerdings noch außergewöhnlich.

Neuartig ist auch die Dachform: Sie ähnelt einem zweistufigen Mansarddach, hat jedoch anstelle der Neigung ein terrassenförmiges Dach und lotrechte Seitenwände. Die Streben an den Außenseiten dienen dazu, das Gewicht der Decken auf die Außenwände abzuleiten.

  • Die Villa an der Gutenbergstraße wurde im neobarocken Stil erbaut.
    © BLB NRW
    Blick auf die Villa
    Die neobarocke Villa wurde vom Architekten Alfred Hensen für die Steinbruchs-Berufsgenossenschaft erbaut.
  • Blick auf eine weiße Villa mit terrassenförmig aufgebauten Dach.
    © BLB NRW
    Die ehemalige Polizeiwache
    Erbaut von 1911 bis 1912 steht das Gebäude an der Gutenbergstraße für ein seltenes Beispiel zeitgenössischer Architektur vor dem Ersten Weltkrieg.
  • Die Dachform ähnelt einem zweistufigen Mansarddach, hat jedoch anstelle der Neigung ein terrassenförmiges Dach und lotrechte Seitenwände.
    © BLB NRW
    Das Dach
    Die Dachform war für die damalige Zeit neuartig: Sie ähnelt einem zweistufigen Mansarddach.

Der Architekt des ungewöhnlichen Gebäudes, Alfred Hensen, hat das Münsteraner Stadtbild zu Beginn des 20. Jahrhunderts wesentlich geprägt. Aus seiner Feder stammen eine Reihe von Geschäftshäusern in der Altstadt sowie der Stadthausturm am Prinzipalmarkt, die Kaplanei der Lambertikirche und der Rosenhof unweit des Buddenturms.

1984 wurde das Gebäude an der Gutenbergstraße aufgrund seiner einmaligen Stellung in der zeitgenössischen Architektur Münsters unter Denkmalschutz gestellt.

Das Treppenhaus hat auf jeder Etage Fenster und wirkt hell und freundlich.
© BLB NRW
Der Blick in das Treppenhaus
Durch die Fenster auf jeder Etage ist das Treppenhaus der ehemaligen Polizeiwache an der Gutenbergstraße lichtdurchflutet.

Initiator des Gebäudes war die regionale Steinbruchberufsgenossenschaft, die ihren Verwaltungssitz von Hagen nach Münster verlegen wollte. Um die gewerblichen Beziehungen mit der Branche zu stärken, stellte die Stadt Münster der Berufsgenossenschaft das Grundstück an der Gutenbergstraße unentgeltlich zur Verfügung. Nach knapp acht Monaten Bauzeit wurde das Gebäude im April 1912 fertiggestellt und bezogen.

Ab 1934 war die Berufsgenossenschaft nicht mehr in Münster ansässig und vermietete das Gebäude an die Gauleitung des NS-Lehrerbundes. 1936 wurde es an die Geheime Staatspolizei veräußert. Zur Nutzung des Gebäudes durch die Gestapo lesen Sie auch das Interview mit dem „Spurensucher“ Horst Wiechers am Ende dieser Seite.

  • Die Fenster im Treppenhaus des neobarocken Gebäudes sind zum Teil durch halbrunde Bögen gekennzeichnet.
    © BLB NRW
    Blick aus dem Fenster
    Die Fenster im Treppenhaus des neobarocken Gebäudes sind zum Teil durch halbrunde Bögen gekennzeichnet.
  • An der Fassade des Gebäudes werden Berufe aus dem Steinbruch dargestellt. Hier ist der Schmied bei seiner Arbeit zu sehen.
    © BLB NRW
    Der Schmied
    An der Fassade des Gebäudes werden Berufe aus dem Steinbruch dargestellt. Hier ist der Schmied bei seiner Arbeit zu sehen.
  • An der Fassade des Gebäudes werden Berufe aus dem Steinbruch dargestellt. Hier sind zwei Bergarbeiter bei ihrer Arbeit zu sehen.
    © BLB NRW
    Die Bergarbeiter
    An der Fassade des Gebäudes werden Berufe aus dem Steinbruch dargestellt. Hier sind zwei Bergarbeiter bei ihrer Arbeit zu sehen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die Britische Rheinarmee das Gebäude. Bis Mitte 1946 verrichteten die Britische Militärpolizei und die Deutsche Schutzpolizei dort ihren gemeinsamen Dienst, dann wurde das Polizeipräsidium hierhin verlegt und verschiedene Einrichtungen der Polizei nutzten das Gebäude bis 2014.

Zuletzt hat das Gebäude zwischen 2015 und 2017 als Flüchtlingsunterkunft gedient. Derzeit steht es leer. Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW prüft, ob das Gebäude auch in Zukunft für die Unterbringung von Institutionen des Landes benötigt wird.

  • Ein schwarzweißes Foto zeigt das Gebäude im Jahr 1912.
    © BLB NRW
    Historische Aufnahme
    Das Gebäude wurde ursprünglich von der Steinbruchs-Berufsgenossenschaft erbaut. Dieses Zeitungsbild zeigt das Haus im Jahr 1912.
  • Ein schwarzweißes Foto zeigt die Rückseite des Gebäudes. Hier parkten 1984 die Dienstwagen der Polizei.
    © BLB NRW
    Historische Aufnahme
    Auf der Rückseite des Gebäudes parkten 1984 die Dienstwagen der Polizei.

Literaturtipp

„Der Tote im Bunker“ von Martin Pollack

Im April 1947 wird die Leiche des ermordeten SS-Sturmbannführers und Gestapo-Mitglieds Dr. Gerhard Bast gefunden. Sein Sohn, Martin Pollack, war zu diesem Zeitpunkt noch keine drei Jahre alt. Mehr als ein halbes Jahrhundert später setzte sich Martin Pollack aktiv mit dem Leben und dem Mord an seinem Vater auseinander.

Öffentliche Führungen

Neben der Gestapo befanden sich zwischen 1933 und 1945 im Ostviertel Münsters noch weitere Dienststellen von Partei und Staat, darunter die Villa ten Hompel, Dienstsitz des Befehlshabers der Ordnungspolizei, und der Getrudenhof, Sammelstelle der münsterländischen Juden vor ihrer Deportation. Der Geschichtsort Villa ten Hompel bietet dazu die Stadtteilführung "Rund um die Villa" an.


Bild: BLB NRW, © BLB NRW

Horst Wiechers

„Spurensucher“ und früherer Lehrer für Geschichte und Latein aus Münster

Herr Wiechers, was wissen Historiker über die Nutzung des Gebäudes Gutenbergstraße 17 durch die Geheime Staatspolizei der Nationalsozialisten?

Die Gestapo zog 1936 in das Gebäude, nachdem ihr ursprüngliches Dienstgebäude in der Nähe des Hauptbahnhofs nicht mehr den gestiegenen Anforderungen entsprach. Eine Leitstelle in der Provinzhauptstadt Münster war damals aus Sicht der Gestapo erforderlich geworden aufgrund des katholisch geprägten Milieus im Münsterland, das die Nationalsozialisten als problematisch empfanden.

Welche Rolle spielte das städtische Umfeld des Gebäudes?

Das Gebäude lag nicht weit entfernt vom Sitz der Ordnungspolizei - dem heutigen Geschichtsorts Villa ten Hompel -, einer Dienststelle des Sicherheitsdienstes (SD) der SS, dem Luftgaukommando (Anm.: heute Lufttransportkommando) am Hohenzollernring, dem ehemaligen Gertrudenhof – dem Sammelpunkt der Juden vor den Deportationen – und der ehemaligen Oberfinanzdirektion - der an der Arisierung beteiligten Behörde. Auch weitere NS-Täterorte konzentrierten sich im Osten Münsters.

Was hat die Gestapo in dem Gebäude gemacht?

Die Gestapo war eine gefürchtete Truppe, bekannt für ihre grausamen Folter- und Ermittlungsmethoden. Von hier aus wurde die Bevölkerung ausspioniert, Widerstandsbewegungen überwacht, Zwangsarbeiter aus dem Osten streng beaufsichtigt. Hinzu kam die Überwachung der Feindpropaganda.

Wer waren die damaligen Mitarbeiter?

Die Gestapo beschäftigte in der Leitstelle zahlreiche Mitarbeiter, deren genaue Anzahl bisher aber nicht ermittelt wurde. Für viele war die Arbeit in Münster eine Art „Karrieresprungbrett“. Ihr ehemaliger Leiter Dr. Eberhard Schöngarth beispielsweise nahm 1942 als Befehlshaber der Sicherheitspolizei an der Wannsee-Konferenz teil.

Finden sich noch Spuren der NS-Vergangenheit in dem Gebäude?

Es ist bekannt, dass es im Keller drei enge Zellen gab, in denen Gefangene inhaftiert wurden. Als die Polizei nach dem Krieg das Gebäude nutzte, hat sie hier ihre Hundestaffel untergebracht. Auch unter dem Dach befanden sich mehrere, kleinere Zellen aus Holz. Erzählungen deuten darauf hin, dass es im Hintergebäude über den Garagen eine Vorrichtung gab, über die getötete Gefangene abtransportiert wurden. Davon finden sich heute allerdings keine Spuren mehr.

Wie fühlten Sie sich, wenn Sie mit Gruppen durch das Gebäude gingen?

Ich fand es immer wieder bedrückend, besonders durch den Keller des Gebäudes zu gehen. Die Wirkung auf die Gefangenen dort kann ich nachvollziehen. Ich erinnere mich auch an eine Führung zusammen mit Herrn Pollack, der hier nach den Spuren seines Vaters, Dr. Gerhard Bast, der 1941/42 Stellvertretender Leiter der Gestapostelle war, suchte. Diese Führung war sehr emotional geprägt, auch wenn Herr Pollack seinen Vater eigentlich nicht kannte. In Erinnerung bleibt mir auch, wie offen die Polizei später mit der dunklen Vergangenheit des Gebäudes umgegangen ist und immer wieder ihre Türen für Schülergruppen geöffnet hat. Das fand ich beeindruckend.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Gebäudes?

Ich würde mir wünschen, dass eine systematische, archäologische Untersuchung der baulichen NS-Überreste durchgeführt wird. Außerdem finde ich es notwendig, dass an dem Gebäude eine Informationstafel angebracht wird, die an seine ambivalente Geschichte erinnert.

Vielen Dank für das Gespräch!

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