Modulbauweise – bauen wie am Fließband?
BLB NRWModulbauweise – bauen wie am Fließband?
Rationelles Bauen
Modulbauten liegen im Trend. Planung und Fertigung in der Halle und schließlich die Montage mit dem Kran vor Ort, fertig! So einfach klingt es, wenn man über die Produktion von Modulbauten spricht. Doch ist die Modulbauweise wirklich so schnell, gut und vorteilhaft, wie viele meinen? Auch der BLB NRW realisiert derzeit einige Modulbauten und sammelt dabei seine ersten eigenen Erfahrungen.
Ganz gleich ob Einfamilienhaus, Bürogebäude oder Justizvollzugsanstalt (JVA) – das Bauen ist in Deutschland überwiegend eine Fertigung von Unikaten. Im Vergleich zu Produktionsprozessen anderer Industriebereiche erscheint dies immer noch recht altertümlich. Während Autos oder Waschmaschinen seit Jahrzehnten gleichartig am Fließband aus einem reduzierten Warenkorb differenzierter Bauteile zusammengesetzt werden, wird fast jedes Gebäude nach individueller Planung vor Ort mit einem geringen Vorfertigungsgrad hergestellt. Diese Bauweise erweist sich im Gegensatz zur optimierten Fließbandfertigung immer wieder als fehleranfällig und ist auch logistisch sehr herausfordernd.
Gleichbleibend gute Qualität bei Modulbauten
An diesem Punkt setzen die Hersteller von Modulbauten an und werben regelmäßig mit den Vorteilen ihrer Bauweise:
- mehr Planungssicherheit, da die wichtigsten Gewerke aus einer Hand erledigt werden
- Terminsicherheit durch kürzere und kalkulierbarere Produktion
- Kostensicherheit durch präzise Vorfertigung und Montage
- gleichbleibend gute Qualität und eine Nachhaltigkeit, die sich sehen lassen kann
All dies sind die oftmals angeführten Kriterien. Auch baustellentypische Belastungen, die durch die längere, konventionelle Bauzeit entstehen, etwa Belästigungen durch Lärm und Staub oder durch Absperrungen und Umleitungen, werden reduziert. Durch den hohen Grad der Vorfertigung der einzelnen Module in geschützten Hallen oder Industriegebieten reduziert sich die Bauzeit vor Ort oftmals um mehrere Monate und vermindert so die Belastungen für Mensch und Umwelt.
Modulbauten als dauerhafte Alternative
Doch was sind eigentlich Modulbauten? Man muss sie zunächst von temporären Containerbauten, die auf der Basis von Schiffscontainern überwiegend kurzfristig und für einen zeitlich eng begrenzten Zeitraum zum Einsatz kommen, unterscheiden. Modulbauten haben den Anspruch, Teil einer dauerhaften Lösung zu sein, und verstehen sich somit als echte Alternative zum klassischen Massivbau. Die Wahl der Modulbauweise erweist sich in der Regel genau dann als sinnvoll, wenn in einem Gebäude eine größere Anzahl gleichartiger Räume in Bezug auf Raster, Aufteilung und Ausstattung benötigt wird. Dies kann unter anderem auf Hotels, Krankenhäuser oder Bürogebäude zutreffen. Für diese Zwecke können gleichartige Module in Stahl- oder Holzrahmenbauweise nach industriellem Standard vorgefertigt werden. Aufgrund des hohen Fertigstellungsgrades müssen sie dann vor Ort nur noch aufgestellt und angeschlossen werden. Dabei wird wiederum zwischen der Stapelsystem- und der Raummodulbauweise unterschieden. Bei ersterer werden gleichförmige Bauteile, etwa einzelne Zimmer, aufeinandergesetzt und verbunden, während bei letzterer die Module die Gebäudehülle bilden und der Innenausbau konventionell erfolgt.
Der BLB NRW setzt derzeit einige Projekte in Modulbauweise um. Hierzu gehören die Realisierung eines neuen Hafthauses für die Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede und auch die Initialplanung für ein Unterkunftsgebäude, das für die Bundeswehr erstellt wird.
Neues Hafthaus für die JVA Bielefeld-Brackwede
Die Justizvollzugsanstalt in Bielefeld-Brackwede ist die erste JVA in Nordrhein-Westfalen, für die ein neues Hafthaus in Modulbauweise entstehen soll. Diese Vorreiterrolle geht mit viel Verantwortung einher: „An diesem Projekt werden wir alle Erfahrungen sammeln, gute und schlechte. Die können wir dann BLB NRW-weit für weitere Gebäude dieser Art in Modulbauweise nutzen“, erzählt die Projektverantwortliche Alice Nikisch aus der Niederlassung Bielefeld, die für den Bau der JVA verantwortlich ist. „Inzwischen wissen wir, dass die Modulbaufirma idealerweise schon ab der Leistungsphase 3, der Entwurfsplanung, eingebunden werden sollte. Jede Firma hat ein individuelles System, mit dem dann die Planung gemacht werden kann.“
Herausforderung Sonderbau
In diesem speziellen Projekt birgt die Modulbauweise neben den vielen Vorteilen, wie Geschwindigkeit und Wetterunabhängigkeit, auch Herausforderungen: Eine Justizvollzugsanstalt ist ein sogenannter ungeregelter Sonderbau, bei dem die Sicherheit im Fokus steht. Das bedeutet, dass die Module aus einer Stahlskelettkonstruktion viele weitere Stahleinlagen benötigen. Auch über Aspekte wie den Brandschutz muss sich das Team mehr Gedanken machen: „Bei einer klassischen Betonwand mit hoher Leistungsfähigkeit gegenüber Brandbeanspruchung ist der Brandschutz fast schon automatisch gegeben. Hier muss der Wandaufbau extra geprüft und freigegeben werden“, erklärt Nikisch den Prozess.
Inzwischen konnte das Projektteam viele der offenen Fragen klären und Lösungen finden. Der nächste Schritt, auf den mit Spannung gewartet wird, ist nun die Anlieferung der Module: „Ein großer Kran hebt die Module, die mit Lastwagen auf die Baustelle gefahren werden, herunter und stapelt sie fachgerecht auf- und nebeneinander auf das Baufeld. Das Team vor Ort montiert die Module aneinander. Und so geht es dann den ganzen Tag weiter“, beschreibt die Projektverantwortliche aus Bielefeld das weitere Vorgehen. Auf das fertige Endprodukt warten sowohl das Projektteam als auch der Kunde gespannt.
Pilotprojekte im Bereich Bundesbau
In der Bielefelder Niederlassung des BLB NRW beschäftigen sich noch weitere Kolleginnen und Kollegen mit dem Thema. Einer von ihnen ist Sebastian Kramer aus dem Bereich Bundesbau. „Unser Plan ist, Unterkunftsgebäude in den Kasernen nach den neuen Standards der Einzelunterbringung demnächst in Modulbauweise zu errichten. Wir erhoffen uns davon eine schnelle Errichtung der Gebäude mit ihren kleinen Appartements. Dabei kombiniert die Raummodulbauweise hohe Qualität und zeitoptimierte Fertigstellung“, sagt Kramer. „Bedenken gab es von unserer Seite eher wenig. Vielmehr haben wir die Hoffnung, dass die Modulbauweise hier genau das Richtige sein könnte.“
Enge Zusammenarbeit mit dem Bundesbau in Hessen
Der Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen ist als Leitstelle für Unterkunftsgebäude der Bundeswehr mit einem Pilotprojekt vorangegangen. Die Planung in Bielefeld erfolgt auf den Grundlagen aus Kassel, weswegen das Team in Bielefeld im engen Austausch mit den hessischen Kolleginnen und Kollegen steht. Einen Unterschied in der Vorgehensweise gibt es allerdings: „Nach Rücksprache mit der OFD Münster schreiben wir für unsere Pilotprojekte eine systemoffene Raummodulbauweise aus“, erklärt Sebastian Kramer. „Das heißt, wir sind sowohl für Holz- als auch für Stahlbausysteme offen.“ Besonders praktisch an der Raummodulbauweise ist, dass die regensichere Außenhülle des Gebäudes viel schneller fertig ist, als es bei der klassischen Bauweise der Fall wäre. So kann der Innenausbau zügig und wetterunabhängig beginnen.
Gute Erfahrungen in Höxter
Sehr positive Erfahrungen hat die Niederlassung Bielefeld bereits mit einem weiteren Projekt sammeln können. Der Neubau eines Unterkunftsgebäudes für 220 Soldatinnen und Soldaten in der General-Weber-Kaserne in Höxter wird als Kombination aus Modul- und Massivhaus realisiert. Während der Rohbau mit vier Geschossen in klassischer Massivbauweise bereits im Jahr 2020 fertiggestellt wurde, konnten parallel bereits alle komplett ausgestatteten Badezimmer als fertige Module im Gebäude platziert werden. „Hierdurch konnten wir die Bauzeit optimieren und eine gleichmäßig hohe Qualität sicherstellen“, erläutert Werner Benning, der Projektverantwortliche für diese Baumaßnahme. Voraussichtlich im Herbst 2021 wird dieses Gebäude an die Truppe übergeben. In allen Projekten erwarten die Beteiligten derzeit mit Spannung, wie es mit „ihren“ ersten Modulbauprojekten weitergeht. Eines ist sicher: Der BLB NRW sammelt wertvolle Erfahrungen, die für folgende Projekte umso wichtiger sind.
Im Interview: Marcus Hermes
Geschäftsführung BLB NRW
Wir haben gehört, Sie seien ein Fan der Modulbauweise. Stimmt das? Wenn ja, wieso?
Ja, das stimmt – sehr sogar. Obwohl sich in fast allen industriellen Bereichen, wie zum Beispiel der Automobilindustrie oder dem Maschinenbau, eine Serienfertigung durchgesetzt hat, wird in der Bauindustrie immer noch ganz traditionell, ähnlich wie vor 100 Jahren gearbeitet. Die Modulbauweise bietet einen hohen Grad an Vorfertigung, was in unserem Geschäft kürzere Bau- sowie auch Planungszeiten ermöglicht. Dadurch sind wir nicht nur in der Lage, Planungen gegebenenfalls mehrfach zu nutzen, sondern können diese darüber hinaus von Mal zu Mal optimieren. Bei Gebäuden, die sich bereits in Betrieb befinden, liefern die jeweiligen Nutzer und zuständigen Projektverantwortlichen und Gebäudemanager wertvolle Hinweise für die Weiterentwicklung des jeweiligen Gebäudetyps.
Welche Vorteile sehen Sie speziell für Projekte des BLB NRW?
Die Vorteile liegen insbesondere in der grundsätzlich höheren Kostensicherheit und einer verbesserten Planungssicherheit. Auch kann häufig eine tatsächliche Qualitätsverbesserung des Produktes erreicht werden, da hier die Vorteile der geprüften Werksfertigung voll zum Tragen kommen. Neben diesen oft genannten Faktoren können aber auch Nachhaltigkeitsaspekte ein Grund für die serielle Fertigung sein, da durch optimierten Ressourceneinsatz eine gute Ökobilanz erzielt werden kann. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Modulbauweise in besonderer Weise geeignet ist, wenn viele identische Nutzungseinheiten benötigt werden. Aber auch technisch komplexe Gebäude können von einer entsprechenden Vorfertigung stark profitieren. Attraktiv ist auch, dass die direkten Baustellenbelastungen für Nachbarn deutlich minimiert und Störungen reduziert werden.
In welchen Bereichen können Sie sich zukünftig einen Einsatz vorstellen?
Eine vielfältige Einsatzmöglichkeit sehe ich zum Beispiel bei Unterkunftsgebäuden, wie sie in Kasernen der Bundeswehr oder der Polizei vorkommen. Die Planungen wären dann bereits lange im Vorfeld mit den Nutzern und Auftraggebern abgestimmt und freigegeben. Entsprechend können wir diese mehrfach und schnell verwenden. Dabei kann ich mir auch sehr gut Holzmodulbauten vorstellen. Insbesondere die Schnelligkeit bei Verwendung von bestehenden Planungen, zum Beispiel in Form von Baukastensystemen, in Verbindung mit einer schnellen Bauzeit wäre sicher im Sinne unserer Kunden. Neben Unterkunftsgebäuden kann ich mir persönlich auch sehr gut Polizeiwachen, Justizvollzugsanstalten und Seminargebäude in Modulbauweise vorstellen.
Glauben Sie, dass die Modulbauweise auch eine Lösung für Bauten mit einer besonderen Architektur sein kann?
Auf jeden Fall. Die Zeiten, in denen Modulbauten eher mit Containeranlagen zu vergleichen waren, sind lange vorbei. Individuelle Gestaltungen von Grundrissen und Flächen sind genauso Stand der Technik wie individuelle Fassaden. Ein Modulbau ist ohne Weiteres nicht mehr von einem konventionellen Bau zu unterscheiden. Eines sei an dieser Stelle jedoch trotzdem erwähnt: Auch ich freue mich natürlich über ein denkmalgeschütztes, historisches Gebäude im Stadtbild. Wir sollten deshalb projektspezifisch abwägen und entscheiden, wo die Modulbauweise zu Recht Sinn macht und wir ihre Stärken nutzen können.