Kunst und Bau in der JVA Willich I

Malerin Susanne Stähli gestaltet den Mehrzweckraum

Die Wittener Malerin Susanne Stähli übernimmt die künstlerische Gestaltung des Kirchen- und Mehrzweckraums der zukünftigen Justizvollzugsanstalt Willich I. Ihr Konzept „Transparenz“ für die farbliche Gestaltung der bodentiefen Fenster ging als Siegerentwurf aus einem vierstufigen Auswahlverfahren hervor.

Die Aufgabenstellung ist ebenso spannend wie anspruchsvoll: Für Mehrzweckraum und Anstaltskirche der neuen Justizvollzugsanstalt (JVA) Willich I soll ein Kunstwerk geschaffen werden. Dabei ist die Gestaltung innerhalb der gesamten Raumkonzeption als Beitrag zu einem modernen, auf die Resozialisierung ausgerichteten Strafvollzug vorgesehen. Hierzu hatte die Niederlassung Münster des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW (BLB NRW) einen beschränkten Wettbewerb ausgelobt und fünf Künstlerinnen und Künstler dazu eingeladen. Gefördert wird das Projekt vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft.

Kunst unterstreicht modernes Vollzugskonzept

Kunst und Bau hat eine fast hundertjährige Tradition. Sie macht Kunst im öffentlichen Raum erlebbar, fördert die Kunstschaffenden und hebt die Baukultur. Ihre Bedeutung für den Gefängnisneubau in Willich verdeutlicht Therese Yserentant, beim BLB NRW unter anderem zuständig für Kunst und Bau: „Eine JVA ist ein geschlossener Raum mit absolut funktionaler Architektur. Durch die künstlerische Gestaltung des Mehrzweck- und Kirchenraums bieten wir auch den Inhaftierten die Möglichkeit, sich mit Kunst und Kultur auseinanderzusetzen und über das rein Notwendige hinauszuschauen.“

  • © BLB NRW Bild: Susanne Stähli
    Modell des Sieger-Entwurfes von Susanne Stähli
  • © BLB NRW Bild: Susanne Stähli
    Zeichnung von Susanne Stähli zur Umsetzung in der JVA Willich I
  • © BLB NRW Bild: Susanne Stähli
    Eine Beispielarbeit der Künstlerin.
  • © BLB NRW Bild: Susanne Stähli
    Ein weiteres Beispiel: Die Lichtprojektionen auf den Bodenflächen sind elementarer Bestandteil des Kunstwerkes.
  • © BLB NRW Bild: Susanne Stähli
    Das Konzept lässt sich an verschiedensten Fensterflächen realisieren (Beispielarbeit).

Beim Neubau der JVA Willich I unterstreicht die Kunst den Ansatz des modernen Justizvollzugs, der weniger auf Bestrafung als auf die erfolgreiche gesellschaftliche Wiedereingliederung der Inhaftierten ausgerichtet ist. Vorgesehen ist der Mehrzweckraum für Feiern aller Religionen sowie nichtreligiöse Veranstaltungen wie Konzerte, Theatervorführungen oder Vorträge. Dabei erfüllt er eine wichtige kommunikative Funktion, die im Idealfall identitätsstiftend für das Leben in der JVA sein wird. „Der Raum ist eine Begegnungsstätte, die gerade die Inhaftierten zumindest zeitweise vergessen lässt, dass sie inhaftiert sind“, sagt Charlotte Adams-Dolfen, Leiterin der JVA Willich I. „Hier treffen Gefangene auf Gefangene, Mitarbeitende auf Gefangene, Mitarbeitende auf Mitarbeitende und vereinzelt bei Gottesdiensten, Kulturveranstaltungen und ähnlichem auch Gefangene auf Familienangehörige, Freunde und externe Besucher.“ Das Kunstwerk in diesem Raum hebe dessen große Bedeutung für die JVA noch einmal hervor.

Informationen zum Neubau

In Willich realisiert die Niederlassung Münster des BLB NRW den Neubau der Männerhaftanstalt Willich I mit 768 Plätzen - ein wichtiger Schritt für die Modernisierung des Justizvollzugs in NRW. Mehr zu dem Bauprojekt erfahren Sie hier

„Das Preisgericht hat es sich nicht leicht gemacht“, berichtet Therese Yserentant. „Wir hatten sehr gute Wettbewerbsbeiträge, die sehr unterschiedlich mit der gestellten Aufgabe umgegangen sind.“ In den vier Auswahlphasen sei intensiv diskutiert worden. „Ich glaube, dass wir mit dem Siegerentwurf von Susanne Stähli nun das richtige Gestaltungskonzept für den Raum gefunden haben“, betont die Architektin. „Die Künstlerin hat die räumliche Situation sehr genau berücksichtigt.“ 

Zusammenspiel aus Licht, Farbe und Raum

Der Entwurf von Susanne Stähli sieht vor, farbige Glasscheiben in unterschiedlicher Größe vor die bodentiefen Fenster des knapp 40 Meter langen Mehrzweck- und Kirchenraums zu montieren. Dabei weichen Farbkonzept und -rhythmus in beiden Räumen deutlich voneinander ab. Wird der mit einer mobilen Wand unterteilbare Raum jedoch als Ganzes genutzt, „bildet sich in der Ansicht des Raums eine schlüssige Einheit durch das farbige Zusammenspiel“, wie die Malerin in ihrem Konzept erläutert.

  • © BLB NRW Bild: Maximiliane Baumgartner
    Wettbewerbsbeitrag Maximiliane Baumgartner: Historischer Grundriss modern interpretiert - Maximiliane Baumgartner erinnert mit ihrem Entwurf an die ehemalige Anstaltskirche des „Männergefängnisses Willich Anrath“, die im Jahr 1904 erbaut wurde. Als rote Linien auf dem Boden des Raumes und in den angrenzenden Lichthof hineinragend, zeichnete sie den abstrahierten Grundriss des historischen Kirchengebäudes nach.
  • © BLB NRW Bild: Maximiliane Baumgartner
    Somit verweist ihr Konzept die Betrachtenden trotz seiner Modernität und Geradlinigkeit auf den Vorgänger des Kirchen- und Mehrzweckraums. Ergänzt wird die Bodenarbeit durch wappenförmige Texttafeln mit Ausschnitten aus Briefen des Inhaftierten Eugen Eggenrath und seiner Frau Mathilde. Das Ehepaar wurde 1933 von der nationalsozialistischen Regierung in Schutzhaft genommen.
  • © BLB NRW Bild: Maximiliane Baumgartner
    Auf diese Weise vergegenwärtig Maximiliane Baumgartner nicht nur das Kirchengebäude aus dem 20. Jahrhundert, sondern lädt auch zur kritischen Reflexion des zugrundeliegenden geschichtlichen Kontexts ein.

Mit ihrem Ansatz möchte die Künstlerin, die von Fenstern dominierte Längsseite des Raumes als sicht- und lichtdurchlässige Grenze zwischen Innen- und Außenraum gestalten. Die Jury überzeugte insbesondere der malerische Effekt der farbigen Lichtakzente sowie der „großzügig gedachte konstruktivistische Entwurf“. Zudem lobten die Mitglieder die unterschiedliche Behandlung von Mehrzweck- und Kirchenraum. Dies betone die verschiedenen Nutzungsformen der architektonisch kaum differenzierten Bereiche.

Die Jury

Zum Preisgericht für den Wettbewerb gehörten:

  • Vorsitz: Dr. Stefan Kraus (Museum Kolumba, Köln)
  • Christiane Wanken (Kunstmuseum Gelsenkirchen)
  • Prof. Katja Davar (Künstlerin, Hochschullehrerin)
  • Dr. Falk Wolf (Kunstsammlung NRW)
  • Charlotte Adams-Dolfen (JVA Willich I)
  • Bernhard Busch (agn Niederberghaus & Partner GmbH)
  • Gabriele Willems (BLB NRW).
  • © BLB NRW Bild: Jan Albers
    Wettbewerbsbeitrag Jan Albers: Plastische Steine des (Denk-)anstoßes - Jan Albers verweist mit seiner Einreichung gleichermaßen auf Naturmotive wie auch den Drang menschlichen Eingriffs. Sein Konzept ist eine Weiterentwicklung seiner Arbeitsserie mit dem Titel „Cutting Edges“ beziehungsweise „Boulder“. Jan Albers konzipierte ein raumgreifendes Fries bestehend aus sieben Reliefblöcken, die sich in unregelmäßigen Abständen über die Hauptwand des Kirchen- und Mehrzweckraums strecken und herausragen sollen.
  • © BLB NRW Bild: Jan Albers
    Die robusten Beton-Elemente sollen an Steinquader aus Steinbrüchen erinnern und mit einem gelben Senf-Ton zur offenen Atmosphäre des Andachtsraums beitragen. Metaphorisch stehen die glatten Seiten für den „menschlichen Gestaltungswillen, wie man ihn aus der Architektur oder von großen Maschinen her kennt, wohingegen ihre poröse und erodierte Stirnseite uns an die ungeheuren Kräfte der Natur erinnert“ so Albers.
  • © BLB NRW Bild: Jan Albers
    Im Zusammenwirken mit den Heizkörpern, die den gleichen Farbton erhalten sollen, verspricht sich der Künstler den Charakter einer Kassettenwand als verbindendes Element des plastischen Frieses mit der architektonischen Umgebung.

Bei der Auswahl des Siegerentwurfs beurteilte die Jury jedoch nicht allein das künstlerische Konzept. „Eine wichtige Rolle spielten auch die Sicherheit und die vollzuglichen Abläufe“, erläutert Christine Kahl vom BLB NRW, die im Münsteraner Projektteam Neubau JVA Willich I mitarbeitet. „Die Kunstwerke müssen so gestaltet sein, dass sie weder die Sicherheit der Abläufe noch die der einzelnen Inhaftierten gefährden können.“ 

Susanne Stähli freut sich über die baldige Realisierung ihres Entwurfs und hat bereits mit der Arbeit begonnen.

  • © BLB NRW Bild: Erika Hock
    Wettbewerbsbeitrag Erika Hock: Luftige Tapisserie - Mit insgesamt vier großen textilen Wandobjekten möchte Erika Hock dem Mehrzweckraum gleichzeitig Wärme und Leichtigkeit verleihen.
  • © BLB NRW Bild: Erika Hock
    Ihr Entwurf plant die Installation von fünflagigen Fadenbildern, bunt bedruckt mit geometrischen Formen. Diese sollen „die Bögen oder Fenster von Sakralbauten andeuten, ohne eine konkrete Architektur zu zitieren“ erläutert die Künstlerin ihr Konzept.
  • © BLB NRW Bild: Erika Hock
    Dabei lehnte sich der Entwurf von Erika Hock an die weltweite Praxis der Tapisserie zur Erzeugung von Wohnlichkeit an, mit einem entscheidenden Zusatz: Die Fäden der fast vier Meter langen Textilobjekte hängen lose herab. Dies ermöglicht die Bewegung durch jeden Luftstrom oder interessierten Personen, denn die Acrylfäden anzufassen ist von der Künstlerin ausdrücklich erlaubt.
  • © BLB NRW Bild: Erika Hock
    Mögliche Interaktionen, etwa durch Luftströme oder neugierige Menschen, verleihen dem Andachtsraum nach ihren Vorstellungen eine besondere Dynamik und Offenheit verleihen.

Kunst und Bau

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Die Landesregierung hat beschlossen, dass bei herausgehobenen Baumaßnahmen des Landes künftig wieder verpflichtend Leistungen zur künstlerischen Ausgestaltung an bildende Künstlerinnen und Künstler vergeben werden. Ziel ist es, durch die Verbindung von Kunst und Bau die Baukultur des Landes sichtbar und nachhaltig in vorbildlicher Weise zu stärken. Durch die künstlerische Ausgestaltung soll ein direkter Bezug zwischen Öffentlichkeit, Gebäude und Nutzung hergestellt werden. Zur Pressemeldung neue Richtlinie Kunst und Bau.

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