Der BIM-Methodenbaukasten

BLB NRW

Der BIM-Methodenbaukasten

Heute die Standards von morgen setzen

Viele Neubauten entstehen heute nach der BIM-Methode, dem Building Information Modeling oder Management. Hier arbeiten alle Gewerke gemeinsam an einem digitalen Gebäudemodell als „Bauplan“, dessen Daten eine gute Basis für den späteren Betrieb bilden. Was im Neubau gut funktioniert, überträgt der BLB NRW im Rahmen der digitalen Transformation seines Geschäfts aktuell auch auf seine Bestandsgebäude. Dabei betritt er weitgehend Neuland, denn die gesamte Immobilienbranche steht hier gerade erst am Anfang, Erfahrungen und Standards fehlen. Um einen unternehmensweiten Wissenspool aufzubauen, hat der BLB NRW den BIM-Methodenbaukasten entwickelt.

Die genaue Bedeutung von BIM ist eine Frage der Perspektive: „Viele verstehen darunter in erster Linie die dreidimensionale Bauplanung. Aber das ist nur ein Aspekt“, erklärt Andreas Haferkorn, CIO des BLB NRW. „Im Wesentlichen geht es darum, digitalisiert und standardisiert Zugriff auf verschiedenste Gebäudeinformationen zu haben. Das ist natürlich auch und gerade für Bestandsgebäude, deren Daten zumeist noch in Papierform und auch nicht immer einheitlich vorliegen, interessant.“

Start frei für eine wirtschaftliche Bestandsdigitalisierung im BLB NRW

Aufgrund seines großen Gebäudeportfolios hat sich der BLB NRW deshalb als einer der ersten Immobilienbetreiber systematisch dem BIM-Einsatz im Bestand angenommen. Das Ziel: digitale Gebäudedaten durchgängig für verschiedenste Prozesse des Gebäudebetriebs verfügbar zu machen. Gleich zu Beginn stand fest, dass die Datenerfassung nicht immer im selben Umfang, aber doch einheitlich erfolgen muss, um später eine reibungslose Verarbeitung der Daten in weiteren IT-Systemen zu garantieren und eine unternehmensweite Vergleichbarkeit zu schaffen. Das Regelwerk dazu nennt sich „BIM-Methodenbaukasten“, eine final softwaregestützte Lösung, die allen mit BIM Beschäftigten zur Verfügung stehen soll. „Mit dem Baukasten geben wir den Niederlassungen ein Instrument an die Hand, das ihnen bei der standardisierten, aber individuell auf das einzelne Sanierungsprojekt zugeschnittenen BIM-Anwendung hilft“, erläutert Marion Grewe aus der Zentrale des BLB NRW seine Aufgabe. Die Ausgangslage bei Sanierungen im Bestand, bezogen auf die vorhandenen Informationen und digitalen Daten, ist stets sehr unterschiedlich. Manchmal liegen Pläne nur in Papierform oder nur teilweise digital vor. Oftmals ist die Technik nicht digital vorhanden und weitere Informationen, die für das Betreiben wichtig sind, fehlen vollständig und müssen erhoben werden. Für genau diese Teilaspekte wurde der Methodenbaukasten entwickelt. Er enthält in virtuellen „Schubladen“ Informationen, Vorlagen und Technikempfehlungen, die für
die Anwendung von BIM im Bestand sinnvoll und wirtschaftlich sind und als standardisierte Arbeitshilfen zur Verfügung stehen.

In der Schublade „Verträge“ wären dann beispielsweise Musterverträge oder Listen mit Leistungsanforderungen für Ausschreibungen zu finden. Ein Griff in die Schublade „Bestandsdatensicherung“ liefert etwa Informationen zur Erfassung von Papierarchiven oder zum Umgang mit Lücken, „Schadstoffkataster“ oder „Materialien“ können weitere Schubladen sein. Eine der wichtigsten, gerade für Bestandsimmobilien, ist die Schublade „Erfassung“. Sie enthält etwa Entscheidungsbäume zur Bestimmung der sinnvollsten Erfassungsmethode. Auch digitale Erfassungstools und Messinstrumente zur Sensorik oder Akustik wären hier beispielsweise gelistet. So gewährleistet der Methodenbaukasten, dass die Datenbasis von Anfang an stimmt. Doch einiges von dem, was der Baukasten bereithält, ist bislang noch Theorie oder einzelfallbezogen. Breites Erfahrungswissen bei BIM im Bestand fehlt der Bau- und Immobilienbranche noch. Mit der systematischen Herangehensweise über seinen Methodenbaukasten leistet der BLB NRW deshalb echte Pionierarbeit, die bei den Bauverwaltungen der übrigen Bundesländer und etwa den BIM-Spezialisten der Bergischen Universität Wuppertal auf großes Interesse trifft.

"Bei den Themen BIM und BIM im Bestand nimmt der BLB NRW eine führende Rolle ein – nicht nur in der öffentlichen Bauverwaltung."
Gabriele Willems
Geschäftsführerin BLB NRW
Aus dem Baukasten zum Praxistest

Um den BIM-Methodenbaukasten einem Praxistest zu unterziehen und um Erfahrungen zu sammeln, braucht es geeignete Gebäude. André Laar, CAD-Koordinator im  Immobilienservice der BLB NRW Niederlassung Münster, ist deshalb auf der Suche nach einem geeigneten Objekt, bei dem eine Kernsanierung mit Erneuerung aller Leitungen und Versorgungsstränge ansteht. Denn nur eine solche, anlassbezogene Bestandsdokumentation rechtfertigt die Kosten der Digitalisierung. André Laar soll bei diesem anstehenden Testlauf in puncto Datenerfassung das große Rad drehen. Das virtuelle Datenmodell soll nach Fertigstellung den tatsächlich ausgeführten („as built“) Zustand des Gebäudes abbilden und zeigen, welche Detailtiefe der Erfassung in welchem Fall wirklich sinnvoll ist. „Um Erfahrungen zu sammeln, braucht es die passende Liegenschaft. Das sollte eher ein Standardgebäude mit vielen Büros und einigen Besprechungsräumen und nicht zu komplizierten technischen Installationen sein, nicht zu groß oder zu  klein“, beschreibt Laar die Suchkriterien.

  • Silvia Saldi und Karin Willems besprechen Projektdetails am Ausdruck.
    © BLB NRW
    Besprechung
    Noch analog: Silvia Saldi und Karin Willems besprechen Projektdetails am Ausdruck.
  • Ein Laserscanner steht auf einem Stativ in einem Raum und zwei Personen unterhalten sich.
    © BLB NRW
    Der Laserscann
    Zunächst werden alle Raumdaten mit einem Laserscanner erfasst.
  • Auf dem Computerbildschirm ist schemenhaft ein Gebäude zu erkennen.
    © BLB NRW
    Punktwolke am Computer
    Die vom Laserscanner erfassten „Punkte“ werden später am Computer zum digitalen 3-D-Modell.
  • Punktwolke vom Behrensbau.
    © BLB NRW Bild: Bergische Universität Wuppertal
    Punktwolke vom Behrensbau
    Der Behrensbau als Punktewolke: Millionen von Messpunkten bilden eine digitale, räumliche Abbildung, die sogenannte Punktewolke – Fehler wie die Fragmente über dem Dach inklusive.
  • Modell vom Behrensbau.
    © BLB NRW Bild: Bergische Universität Wuppertal
    Revit-Modell
    Aus der Punktewolke entsteht schließlich ein Revit-Modell, dass wie hier den Behrens- und Väth-Bau (hier von der Rückseite her) sauber als dreidimensionalen Plan abbildet.
Gute Daten für einen besseren Gebäudebetrieb

Wie wertvoll eine gute Datenbasis auch für den späteren Gebäudebetrieb ist, erläutert Andreas Haferkorn an einem Beispiel: „Wenn die Gebäudereinigung neu ausgeschrieben werden soll, bekommt man die Geschossflächen noch gut zusammen. Die verlegten Bodenbeläge sind heute aber nur selten mit erfasst. Das Verhältnis von Saugen zu Wischen wäre für ein Angebot aber wichtig. Mit BIM könnten diese Daten aus dem Gebäudemodell punktgenau an der richtigen Stelle in einem CAFM-System hinterlegt werden, sodass sie beispielsweise zur Erstellung digitaler Reinigungsausschreibungen direkt verwendet werden können.“

Hier zeigt sich, dass es bei der digitalen Erfassung von Bestandsgebäuden nicht nur darum geht, den Verlauf von Versorgungsleitungen zu kennen. Die Liste von Möglichkeiten und Chancen ist im Hinblick auf den späteren Gebäudebetrieb viel länger, denn sie garantiert unter anderem

  • die Sicherstellung der Betreiberverantwortung, 
  • einen durchgängigen Informationsaustausch zwischen BLB NRW, Mietern und Auftragnehmern, 
  • eine gute Steuerbarkeit von Dienstleistern und Ausschreibungen sowie 
  • eine hinreichende  Planungsgrundlage für Instandsetzungsmaßnahmen.

Wofür steht CAFM?

CAFM ist eine Abkürzung für Computer Aided Facility Management. Ein CAFM-System ist ein übergeordnetes, computerunterstütztes System zum Gebäudebetrieb.

320 GB Daten – zu viel, zu wenig oder gerade richtig?

Mit diesen Fragen hat sich auch Karin Willems aus der Niederlassung Düsseldorf auseinandergesetzt. Ende 2017 erhielt die Architektin den Auftrag, die Nutzbarkeit des leer stehenden Behrens- und des daran angesetzten Väth-Baus im Düsseldorfer Regierungsviertel zu prüfen. Die Machbarkeitsstudie für das Projekt startete sie auf Basis eines älteren Planstands von 2002 und zunächst ohne BIM. Schnell zeigte sich, dass die vorhandenen Grundrisse, Schnitte und Ansichten nicht vollständig waren und Maßunstimmigkeiten aufwiesen.

Neben umfangreichen Untersuchungen am Objekt bot sich in dieser Situation auch die digitale Bestandsaufnahme an. Im Rahmen einer Kooperation mit der Bergischen Universität Wuppertal begann im Mai 2018 das Aufmaß des Gebäudes. Ein Laserscanner tastete dabei die Wände sämtlicher Räume ab. Von außen erfolgte das Aufmaß per Drohne. Die gesammelten Messpunkte bildeten schließlich eine 320 GB große Punktwolke, die den Behrens- und Väth-Bau räumlich abbildete. 

Die durch einen Laserscanner ausgesandten Laserstrahlen treffen bei der Datenaufnahme auf Wände, Decken und Objekte und liefern einen Punkt in einer Datei. Alle Punkte bilden dann ein dreidimensionales Bild. Die dabei entstehende Datenmenge ist teilweise enorm, sodass es ungemein wichtig ist, vor einer Bestandsaufnahme den angestrebten Detaillierungsgrad festzulegen. Sollen also nur die Türlaibungen vermessen werden oder sollte man auch die Seite des Anschlags erfassen? Reicht die Registrierung von Glasflächen oder sollten bei historischen Fenstern auch die Sprossen gezählt werden? „Mehr geht immer, ist aber nicht zwingend sinnvoll“, erklärt IT-Experte Andreas Haferkorn. Aber ganz egal, welcher Detaillierungsgrad für den Einzelfall am Ende der richtige ist – im BIM-Methodenbaukasten findet sich immer das richtige Werkzeug dazu.

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