Zentrum für Proteindiagnostik (PRODI)
Krebs und Alzheimer auf der Spur
Nahezu unbemerkt schleicht sie sich heran – löscht Erinnerungen, lässt vergessen. Demenz. Eine Krankheit, die von Veränderungen des Gehirns geprägt und deren häufigste Form Alzheimer ist. Sie ist eine der neurodegenerativen Erkrankungen, die Wissenschaftler und Mediziner neben Krebserkrankungen in einem vom BLB NRW errichteten Forschungsbau – dem Zentrum für Proteindiagnostik, kurz PRODI – weiter entschlüsseln. Ihr Ziel: für Krebs und Krankheiten wie Alzheimer neue Verfahren der Frühdiagnostik zu entwickeln und diese in die klinische Anwendung zu bringen.
Mit dem Zentrum für Proteindiagnostik (PRODI) hat der BLB NRW für die Ruhr-Universität Bochum (RUB) einen hochmodernen Gebäudekomplex geschaffen, in dem offene Fragen der Medizin erforscht werden. Ein Zuhause für die Spitzenforschung. „Ein Gebäude wie das PRODI zu bauen, heißt ein Gebäude für die Gesellschaft zu bauen. Krebs und Alzheimer sind Krankheiten, die jeden von uns treffen können. Mit dem PRODI geben wir Wissenschaft und Forschung unter einem Dach den Raum, um diese Krankheiten mithilfe der Proteindiagnostik weiter zu untersuchen“, sagt Claudia Heckmann, die zuständige Assetmanagerin in der Niederlassung Dortmund des BLB NRW. Proteine spielen bei Krankheiten, insbesondere im neurodegenerativen und onkologischen Bereich, eine zentrale Rolle. „Etwa zehn Jahre bevor eine Krebserkrankung für uns sichtbar wird, gibt es bereits Veränderungen in Proteinen. Sie führen über die Jahre zu Veränderungen in den Körperzellen und schließlich zu Veränderungen im Gewebe. Erst dann treten erste für uns sichtbare Anzeichen einer Erkrankung auf. Daraufhin wird eine Gewebeprobe entnommen, mit der die Erkrankung diagnostiziert werden kann“, erklärt Prof. Dr. Klaus Gerwert, geschäftsführender Gründungsdirektor des PRODI und Leiter des Lehrstuhls für Biophysik an der RUB.
Finanzierung des Forschungsbaus
- Gesamtkosten inkl. Erstausstattung: rund 51 Mio. Euro
- Finanzierung: je zur Hälfte von Bund und Land
- Bewilligt durch die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz, nachdem der Wissenschaftsrat das Vorhaben „von überragender Bedeutung“ zur gemeinsamen Bund-Länder-Förderung empfohlen hatte
Ein Zuhause für Spitzenforschung
Erste Symptome von Alzheimer zeigen sich heute erst dann, wenn große Teile des Gehirns bereits irreparabel geschädigt sind. Für dieses Absterben von Gehirnzellen sind Eiweißablagerungen in oder zwischen den Nervenzellen einer der Gründe. Derartige Ablagerungen können bei der Herstellung von Proteinen im Gehirn entstehen, wenn während der Produktion ein Fehler unterläuft und es zu einer Fehlfaltung eines Proteins kommt. „Alzheimer ist wie Krebs eine heimtückische Krankheit. Die erste Fehlfaltung eines Proteins kann bereits 15 bis 20 Jahre vor den ersten spürbaren Symptomen wie Vergesslichkeit auftreten. Die fehlgefalteten Proteine verklumpen und lagern sich mehr und mehr im Gehirn ab“, erzählt Prof. Dr. Gerwert. „Es dauert bis zu acht Jahre, bis die Ablagerungen, sogenannte Plaques, sich ausbilden. Erst wenn sie vorzufinden sind, ist die toxische Wirkung im Gehirn gegeben und erst dann ist die Alzheimererkrankung klinisch sichtbar.“ Ziel der Grundlagenforscher und Mediziner – darunter Onkologen, Neurologen und Pathologen – ist es deshalb, in dem neuen Forschungsbau innovative Verfahren zu entwickeln, die eine Proteinveränderung bereits in frühen, symptomlosen Krankheitsstadien nachweisen. Im Idealfall gelingt dies bereits an minimalinvasiv zu gewinnenden Körperflüssigkeiten wie Blut. Durch die im PRODI entwickelten Verfahren sollen sich zugleich individuelle Möglichkeiten einer Therapie ableiten lassen. Prof. Dr. Gerwert: „Uns geht es darum, sichere, schnelle und routinemäßige Screening-Verfahren für Risikopersonen zu entwickeln. Sie sollen einen frühzeitigen Aufschluss darüber geben, ob eine Person zum Beispiel mit hoher Wahrscheinlichkeit an Alzheimer erkranken wird.“ Eines dieser Verfahren ist der Alzheimer-Bluttest, der als erstes Produkt aus dem neuen Forschungsbau in die klinische Anwendung gehen könnte. Mittels eines Infrarotsensors wird in einer Blutprobe ein bestimmtes, winzig kleines Protein extrahiert und gemessen, ob es in seiner gesunden oder krankhaften, das heißt fehlgefalteten und demzufolge alzheimertypischen Form vorliegt. Außerdem schauen sich die Forscher die Verteilung von gesunden und kranken Proteinen an. Prof. Dr. Gerwert: „Mit dem Bluttest haben wir die Möglichkeit, Alzheimer weit vor dem Auftreten erster klinischer Symptome zu erkennen. Je früher wir derartige Erkrankungen diagnostizieren können, desto höher sind die Chancen, dass wir den Zeitpunkt, zu dem die Krankheit ausbricht, verzögern können, und desto höher sind vielleicht auch irgendwann die Chancen auf Heilung.“
"Die Vision, die wir von diesem Forschungsbau hatten, hat der BLB NRW baulich sehr gut realisiert."
Weiterer Meilenstein auf dem Gesundheitscampus
Das PRODI – modern, hell und mit einer Nutzfläche von rund 4.300 Quadratmetern ausgestattet – befindet sich am Eingang zum Gesundheitscampus NRW. Mit seiner weißen, horizontal gegliederten Aluminiumfassade sticht der Forschungsbau auf dem Bochumer Campus hervor und unterstreicht dennoch den gemeinsamen Gesundheitsgedanken. Wer durch die Eingangstür tritt, blickt aus dem Erdgeschoss hinaus in einen lichtdurchfluteten Innenhof. Der Innenhof teilt das Gebäude in zwei Bereiche: Auf der einen Seite befindet sich ein Verwaltungstrakt mit über 50 Büros. Auf der anderen Seite sind rund 70 Labore und laborähnliche Flächen beheimatet. Die Bereiche werden über gläserne Treppenhäuser und Kommunikationszonen miteinander verbunden. Die sogenannten Caféecken sind ein beliebter Treffpunkt für die Wissenschaftler und Mediziner. „Das PRODI ist ein hervorragend konzipiertes Gebäude. Die Vision, die wir von diesem Forschungsbau hatten, hat der BLB NRW baulich sehr gut realisiert. Die Caféecken zum Beispiel fördern den Austausch zwischen uns Naturwissenschaftlern und den Medizinern sowie die Kreativität. Dort können wir uns spontan austauschen, was unsere Arbeit enorm vorantreibt“, erzählt Prof. Dr. Gerwert. Zuvor waren die Wissenschaftler und Mediziner in ganz unterschiedlichen Gebäuden in und um Bochum herum angesiedelt. „Genau darum ist dieses Gebäude des BLB NRW so wichtig: Weil hier die Expertise der Grundlagenforschung und die der klinischen Anwendung unter einem Dach zusammenarbeiten können.
Hochmodern ausgestattete Forschungsflächen
Insgesamt 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten zurzeit im PRODI, verteilt auf vier Stockwerke. Wer an den Labortrakten vorbeigeht, sieht hochmoderne Forschungsgeräte in ebenso modernen Laboren. Forschungsbauten wie das PRODI sind technisch eine Herausforderung. In das Gebäude muss beispielsweise eine hohe Kälteleistung eingespeist werden, denn im Zuge der Forschung kommen hochauflösende Datenprogramme zum Einsatz. Sie laufen über große Serveranlagen, die ausreichend klimatisiert werden müssen. Um diese Leistung zu erzielen, wurde im Untergeschoss ein riesiger, fünf Meter tiefer Saal mit der Kältezentrale errichtet. „Ein hocheffizientes Blockheizkraftwerk versorgt das Gebäude von hier aus mit Strom. Gleichzeitig wird die Wärme des BHKW mithilfe moderner Absorber-Technik, also wie bei einem Kühlschrank, in die im großen Umfang benötigte Kälte umgewandelt“, erklärt Holger Borgas, Projektleiter in der Niederlassung Dortmund des BLB NRW. Doch nicht nur die Serveranlagen müssen kühl gehalten werden, auch in den Laboren darf es nicht zu warm werden. „Wir haben daher in den Laboren Präzisionsklimageräte einbauen lassen, die eine minimale Schwankung der Raumtemperatur von +/– 0,5 Kelvin tolerieren. Stärker darf die Temperatur dort nicht schwanken, damit die Messergebnisse der Forscher nicht verfälscht werden.“ Auch das Lüftungssystem und den Schallschutz in den Laboren hat der BLB NRW speziell auf einen Forschungsbau ausgerichtet.
"Das Zentrum wurde in einer Bauzeit von nur zweieinhalb Jahren errichtet, um für die Forscher und Mediziner sehr schnell die bestmöglichen Bedingungen zu schaffen."
Weitere Besonderheit des Gebäudes: Das Fundament und die Kellerdecke unter den Laboren weisen eine Dicke von mehr als einem Meter auf, um möglichen Schwingungen vorzubeugen, die sonst die Messtechnik beeinflussen könnten. „Das PRODI zeigt beispielhaft, wie viel Sinnstiftendes in der Arbeit des BLB NRW steckt. Das ganze Team hat das Zentrum mit Leidenschaft und in einer Bauzeit von nur zweieinhalb Jahren errichtet, um für die Forscher und Mediziner sehr schnell die bestmöglichen Bedingungen für ihre Arbeit zu schaffen“, sagt Holger Borgas. Die Wahrscheinlichkeit, an Krebs oder Alzheimer zu erkranken, steigt mit dem Alter akut an. „Da wir uns einer alternden Gesellschaft gegenübersehen, werden künftig immer mehr Menschen betroffen sein. Hinzu kommen explodierende Kosten, die das Gesundheitssystem belasten“, erzählt Prof. Dr. Gerwert. „Es geht uns nicht nur darum, in diesem Gebäude neues Wissen über Proteine und damit auch über diese Krankheiten zu erforschen. Es geht uns vor allem auch darum, das Wissen in den Kliniken anzuwenden, um Menschen zu helfen.“ Mit dem Forschungsbau PRODI hat der BLB NRW dafür genau die passenden Flächen geschaffen.