Ein Facelifting für Justitia: Fassade endlich von Weltkriegsspuren befreit
Land- und Amtsgericht Duisburg von Grund auf saniert
In Nordrhein-Westfalen wird vielerorts noch immer in historischen Gebäuden Recht gesprochen. Das Landgericht in Duisburg ist seit 1879 im ehemaligen Justizbau beheimatet und wurde in den vergangenen Jahren vom BLB NRW von Grund auf saniert. Seit seinem Bezug wurde der Komplex nur einmal erweitert, und auch das ist schon mehr als 100 Jahre her.
Zum Gebäude
Im Landgericht arbeiten etwa 240 Bedienstete, darunter an die 70 Richter, und rund 220 Referendare. Zuständig ist das Landgericht für Duisburg, Oberhausen, Mülheim an der Ruhr, Dinslaken, Voerde, Wesel, Schermbeck, Hünxe und Hamminkeln – ein Gebiet mit 1,1 Mil. Einwohnern. Die Justizbehörde nutzt das Hauptgebäude gemeinsam mit dem Amtsgericht Duisburg.
„Es gehört zur guten Tradition der Justiz, wo es möglich ist, an ihren angestammten Standorten zu bleiben“, sagt Klaus Georg Müller, Vizepräsident des Duisburger Landgerichts. Klar wünsche man sich noch einen modernen Erweiterungsbau, räumt Vizepräsident Müller ein. Ansonsten fühlten sich die Justizbediensteten in dem Baudenkmal aber inzwischen wieder sehr wohl. Im Zuge der seit 2008 vorgenommenen Grundsanierung wurde unter anderem die Fassade generalüberholt – ein Gewinn für die in der jüngsten Vergangenheit auch sonst deutlich aufgehübschte Duisburger City. Viel zum Positiven gewandelt hat sich auch im Gericht.
Logistische Herausforderung
Sanierungsarbeiten bei laufendem Betrieb sind immer eine logistische Herausforderung. Bei einem Justizgebäude wie dem Duisburger Land- und Amtsgericht gilt das ganz besonders. Auf keinen Fall durfte Krach die laufenden Gerichtsprozesse stören. Deshalb hatte der BLB NRW dem Nutzer zugesagt, dass lärmintensive Bauarbeiten nur vor und nach den Verhandlungen, also am frühen Morgen, späten Nachmittag sowie an den Abenden, laufen. Und natürlich wurde auch an den Wochenenden saniert. Das war dank eines geschickten Baustellenmanagements und der guten Zusammenarbeit mit der örtlichen Justiz aber seltener erforderlich als anfangs vermutet. So konnten eingeplante Lohnzuschläge eingespart werden – ein wichtiger Grund, warum das Projekt am Ende statt der veranschlagten knapp 13 nur rund zehn Millionen Euro gekostet hat. Während der Sanierung der Flure und Treppenhäuser stellte der BLB NRW im Innenhof Bürocontainer auf. Sukzessive zogen die Justizbediensteten für in der Regel jeweils zwei Wochen in diese Behelfsdomizile, damit sie dort während der Sanierung ihrer Flure in Ruhe weiterarbeiten konnten und Elektroinstallateure, Bodenleger und Maler derweil im Gericht freie Bahn hatten. „Noch nie hat die Verzahnung aller Beteiligten bei einem meiner Projekte so gut geklappt wie hier“, freut sich der Projektverantwortliche Knut Bradtke aus der BLB-Niederlassung Duisburg. Und das will etwas heißen. Denn der Architekt ist seit 1990 bei der staatlichen Bauverwaltung in NRW.
"Es gehört zur guten Tradition der Justiz, wo es möglich ist, an ihren angestammten Standorten zu bleiben."
Die vier Sanierungsschritte
Die Sanierung erstreckte sich über sieben Jahre. Es war aber auch sehr viel zu tun. Und das wurde in vier Schritten sukzessive abgearbeitet. Zunächst der Brandschutz: Neue Brandschutztüren, Brandschotts, Brandmeldeanlagen und Feuerlöschanlagen sorgen jetzt für zeitgemäße Sicherheit. Anschließend kamen die Fassaden und Fenster an die Reihe, an denen der Zahn der Zeit heftig genagt hatte. Sogar im Zweiten Weltkrieg entstandene Schäden, darunter Einschusslöcher, die in der Nachkriegszeit nur notdürftig geflickt worden waren, mussten nun noch fachkundig behoben werden. Überhaupt wurden alle Außenflächen aus Sandstein, Basaltlava, Putz und Ziegelsteinen in enger Abstimmung mit den Denkmalschutzbehörden gesäubert und überarbeitet. Die durchweg neuen Fenster verfügen nun im Erdgeschoss zudem über durchschusshemmendes Glas. Im dritten Sanierungsschritt wurden die Dächer neu eingedeckt und wärmegedämmt. Zum Abschluss ging’s wieder ins Gebäude: In Fluren und Treppenhäusern wurden Decken, Wände, Fußböden und Türen aufgehübscht. Auch Elektroinstallation, Beleuchtung und Videoüberwachung sowie die Alarm- und Rufanlage sind nun wieder auf dem neuesten Stand.
Zahlen und Fakten
- 3700 m² Dach
- 5200 m² Glasfasertapeten
- 4500 m² Fußboden
- 7500 m² Anstrich Decken
- 870 neue Fenster
- 440 neue Leuchten
- 26 km neue Starkstrom-, Fernmelde- und Datenkabel
- 4500 m² Fassade
- 148 Bauaufträge an 127 Firmen
- 9 beteiligte externe Architekten und Ingenieure
Klaus Georg Müller
Vizepräsident des Landgerichts Duisburg
Wie ist die Sanierung aus Ihrer Sicht gelaufen?
Die Zusammenarbeit mit dem BLB NRW war sehr gut. Für die Bediensteten war die jahrelange Sanierung natürlich trotzdem belastend. Ich fand es aber schön zu erleben, wie sich die Stimmung gedreht hat, als der erste Flur fertig war. Da haben alle gemerkt und vielfach auch gesagt, dass es sich lohnt, die Mühen auf sich zu nehmen, die eine solche Maßnahme bei laufendem Betrieb naturgemäß mit sich bringt.
Und wie gefällt Ihnen das Ergebnis?
Das Gebäude ist wunderbar geworden. Die Atmosphäre ist eine ganz andere als vorher. Da hatten wir wirklich viele bauliche Probleme. Das fing bei den Fußböden an und hörte bei der Beleuchtung noch lange nicht auf. Mit der jetzt abgeschlossenen Sanierung haben wir einen riesigen Schritt nach vorne gemacht.
Ist das ein Problem für eine moderne Justizbehörde?
Es gehört zur guten Tradition der Justiz, wo es möglich ist, an ihren angestammten Standorten zu bleiben. Dies hat viel für sich. Die Gerichtsgebäude sind als solche im Bewusstsein der Bürger verankert und wegen ihrer zentralen Lage gut erreichbar. Wir fühlen uns hier wohl und wir haben es geschafft, die Anforderungen an eine moderne Justiz in die historischen Gebäude weitgehend zu integrieren. Allerdings haben wir Platzprobleme. Da die angrenzende Justizvollzugsanstalt 2012 abgerissen wurde, hätten wir die Chance, uns zu erweitern. In einem Erweiterungsbau könnten wir 150 Amtsgerichts-Bedienstete unterbringen, die derzeit noch in einem anderen gut einen Kilometer entfernt liegenden Gebäude arbeiten. Außerdem benötigen wir zum Beispiel einen modernen Schwurgerichtssaal, in dem wir unter Beachtung unserer Sicherheitsanforderungen gegen acht oder zehn Angeklagte verhandeln können. Dafür sind unsere derzeitigen Säle schlicht zu klein.
Vielen Dank für das Gespräch!