Komplexe bauliche Lösungen für zukunftsweisende Forschung und Lehre
Hochschulen Münster
Für die Physikerinnen und Physiker der Universität Münster entsteht auf einem bislang unbebauten Grundstück ein Ersatzneubau mit über 14.000 m² Nutzfläche. Der Neubau der Institutsgruppe 1 (IG 1) stellt hohe baukonstruktive Anforderungen.
Lange Zeit war der Baufortschritt von außen unsichtbar. Denn die Arbeiten fanden zunächst in rund zwölf Metern Tiefe statt, wo in zwei unterirdischen Stockwerken Labore für hochsensible physikalische Verfahren geschaffen werden. Hier entsteht Raum für zukunftsweisende Forschung und Lehre vorwiegend in den Nanowissenschaften und der Quantentechnologie. Die Architektur des Gebäudes ist diesen hohen Anforderungen angepasst: „Für Messungen im Nanobereich benötigen die Physikerinnen und Physiker ein möglichst schwingungsfreies Gebäude“, sagt Hans-Jürgen Gerling, projektverantwortlicher Bauingenieur beim BLB NRW. „Deshalb haben wir die Laserlabore sowie die Labore für die höchstauflösenden Elektronen- und Rastertunnelmikroskope in den Untergeschossen untergebracht, wo mit den geringsten Schwingungen des Baukörpers zu rechnen ist.“ Ein Raum hat darüber hinaus in einem eigens hierfür vertieften Bereich ein spezielles Trägheitsfundament mit Luftkissen erhalten, um die Schwingungen weiter zu minimieren.
Die Institutsgruppe wird zudem von einer Bohrpfahlwand aus 656 Betonpfählen eingerahmt. „Diese hat zum einen verhindert, dass beim Bodenaushub Erdreich unkontrolliert in die Baugrube rutscht und damit auch die Statik der umliegenden Straßen und Gebäude gesichert. Gleichzeitig wirkt sie sich positiv auf die Schwingungen gegen den Baukörper aus“, erklärt die Architektin Lea Girgenrath aus dem Projektteam. Neben der schwingungsarmen Gebäudestruktur, ist eine weitere Besonderheit in den Bau integriert: Um zu verhindern, dass sich die empfindlichen Mess- und Versuchsgeräte gegenseitig beeinflussen oder äußere magnetische Felder stören, werden einige Labore durch Gegenfelder abgeschirmt. Andere erhalten eine bauliche Abschirmung, für die Beton mit Glasfaserbewehrung statt Stahl verwendet wurde.
In zwei Untergeschossen sollen die hochempfindlichen Messgeräte untergebracht werden: Hans-Jürgen Gerling und Lea Girgenrath vom BLB NRW machen eine Ortsbegehung.
Drei Bauteile, drei Funktionen
Zur IG 1 gehören drei Bauteile, die in zwei Baukörpern angeordnet sind: ein fünfgeschossiges Hörsaal- und Seminargebäude, ein sechsgeschossiges Institutsgebäude mit Laboren sowie ein daran angeschlossenes dreigeschossiges Werkstattgebäude, mit folgender funktionaler Aufteilung:
- Hörsaal- und Seminargebäude: Dieses Gebäude dient der Theorie und ist ein Ort für Wissensvermittlung und -weitergabe. Hier finden Vorlesungen und Seminare statt.
- Institutsgebäude: Als Gegenpol zum Hörsaal- und Seminargebäude steht hier die Praxis im Vordergrund. Das Institutsgebäude beherbergt verschiedene Labore und Messräume, darunter physikalische Messräume, chemische Labore, Radioisotopenlabore, Laserräume und Räume für Elektronenmikroskopie. Aufgrund der hohen Schwingungssensibilität der Geräte wurde ein schwingungsresistenter Baukörper realisiert.
- Werkstatt: Diese umfasst eine Feinmechanik- und Elektrowerkstatt. Die enge Verbindung zur Forschung erfordert eine unmittelbare Nähe zu den Laboren. Durch eine spezielle Fuge zwischen den Baukörpern wurde hier die Übertragung von Schwingungen auf das Institutsgebäude minimiert.
Die Rohbauarbeiten schreiten zügig voran: Ein gutes Jahr nach dem ersten Spatenstich stehen bereits zwei Unter- und vier Obergeschosse.
Hohen Energiebedarf nachhaltig decken
Hochtechnisierte Laborgebäude haben einen hohen Energiebedarf. Um diesen möglichst nachhaltig zu decken, hat der BLB NRW für die IG 1 ein ganzheitliches Energiekonzept erstellt. Dieses sieht auf einer Dachfläche von knapp 1.000 Quadratmetern eine Photovoltaik-Anlage vor, die rund 83.000 kwh Strom pro Jahr liefern wird. Zudem erhält der Bau ein Blockheizkraftwerk und eine Absorptionskälteanlage, um die Energieeffizienz im Betrieb zu optimieren. Im Zusammenspiel mit der Nutzung von Biomethan können die CO2-Emissionen des Gebäudes so minimiert werden. Die Flachdächer der Institutsgruppe werden auch unter den PV-Modulen begrünt. Dadurch können sie bei Starkregen das Regenwasser zurückhalten, und sie verbessern das Mikroklima. Mit diesen Maßnahmen leistet der Neubau einen Beitrag zur angestrebten Klimaneutralität der nordrhein-westfälischen Landesverwaltung.
Die neue Institutsgruppe ist ein wichtiger Baustein für die mittelfristige Entwicklung des naturwissenschaftlichen Zentrums in Münster zu einem Wissensquartier mit hoher Aufenthaltsqualität, an dem der BLB NRW gemeinsam mit der Universität Münster, der FH Münster, dem Studierendenwerk sowie der Stadt arbeitet.