Justizzentrum Bochum
Die Justiz rückt zusammen
Aus fünf mach eins: Im neuen Justizzentrum Bochum kommen drei Gerichte, die Staatsanwaltschaft und der ambulante soziale Dienst (ehem. Bewährungshilfe) zusammen, die bislang über verschiedene Standorte verteilt waren. Daraus ergeben sich kurze Wege für die Beschäftigten. Auch durch eine intelligente Raumnutzung wird die kooperative Zusammenarbeit erleichtert. Ein wahrlich nicht alltägliches Projekt – innen wie außen.
Daten und Fakten
- Baubeginn: 11/2012
- Fertigstellung Bauteile B, C und D: Ende 2016
- Fertigstellung Bauteile A und E: 09/2017
- Grundstücksfläche: 10.000 m2
- Mietfläche: 34.000 m2
- Gesamtinvestition: 146 Mio. €
Ein alter Ort mit neuer Bedeutung: Als der ehemalige Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert im Januar 2018 neben vielen anderen Politikern zur Eröffnung des neuen Bochumer Justizzentrums sprach, war es für ihn eine Rückkehr. In seiner Jugend hatte er genau hier die Schulbank gedrückt, denn Teile des Justizzentrums sind hinter den historischen und entkernten Gründerzeitfassaden des ehemaligen Traditions- Gymnasiums am Ostring entstanden. Auch Sänger Herbert Grönemeyer ging hier zur Schule.
Heute ist Justitia die neue Hausherrin an dieser Stelle: Der BLB NRW hat in knapp fünf Jahren Bauzeit das neue Justizzentrum Bochum errichtet – einen Gebäudekomplex mit insgesamt 34.000 Quadratmetern Mietfläche. Sie gibt fünf Einrichtungen, die bislang an verschiedenen Orten der Bochumer Innenstadt untergebracht waren, ein neues Zuhause. Das Landgericht, das Amtsgericht, das Arbeitsgericht, die Staatsanwaltschaft und der ambulante soziale Dienst sind nun an einem Ort versammelt. Das bringt neue kurze Wege für die etwa 840 Mitarbeiter, zu denen permanent noch mehr als 300 Rechtsreferendare kommen, die hier wichtige Teile ihrer Ausbildung durchlaufen. Eine zentrale Aufgabe bei den Planungen war es daher, möglichst viele Synergien in der täglichen Zusammenarbeit zu ermöglichen. „Die hellen, freundlichen Räume, die architektonische Ausstrahlung und die moderne Ausstattung sind zum Wohlfühlen geschaffen“, betont Benno Tillmann, Projektverantwortlicher des BLB NRW.
Transparenz in der Architektur
Sichtbar geworden ist das beim Herzstück des neuen Justizzentrums: Die fast 40 Gerichtssäle sind u-förmig um das lichtdurchflutete Atrium gruppiert worden, welches vier Stockwerke hoch aufragt. Der größte von ihnen, der Schwurgerichtssaal für die Verhandlung schwerer Straftaten, bietet Platz für 150 Personen – neben den Vertretern von Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung können hier auch bis zu 80 Journalisten oder Zuschauer zusehen. Ein ausgeklügeltes System an Gängen und Räumen ermöglicht es, Angeklagte abgeschirmt von der Öffentlichkeit aus der JVA bis in den Gerichtssaal zu bringen.
Auch wenn der große Saal an normalen Tagen nicht immer gefüllt ist: In den Verhandlungsräumen herrscht tagtäglich Hochbetrieb. Rechnet man die Termine von Land-, Amts- und Arbeitsgericht zusammen, kommen an einem gewöhnlichen Werktag schnell 60 Verfahren zusammen. Mit dem Umzug wurde deshalb auch ein intelligentes Saalmanagement eingerichtet. Je nach erwarteter Dauer oder Besucherfrequenz eines Termins kann die Gebäudeverwaltung unkompliziert einen passenden Saal zuweisen. Die Räume sind technisch so ausgestattet, dass hier in Zukunft auch mit der elektronischen Akte gearbeitet werden kann oder Zeugen per Videokonferenz befragt werden.
Mit den Möglichkeiten eines Neubaus konnte der BLB NRW ein barrierefreies Gebäude errichten. Ebenerdige Eingänge, klare Wegführung mit farblichem Leitsystem und ertastbaren Symbolen sowie zahlreiche Fahrstühle erleichtern auch Besuchern mit Handicap den Zugang. Teile der Einrichtung entstanden in JVA-Werkstätten in NRW, in denen Inhaftierte auf ihre Zukunft in Freiheit vorbereitet werden.
Der Umzug der verschiedenen Behörden in das Justizzentrum bietet nicht nur den Mitarbeitern von Justiz und Staatsanwaltschaft neuen Raum – es schafft auch in der Stadt Bochum Flächen für Neues. Am bisherigen Standort des Amts- und Landgerichts im Herzen der Bochumer Innenstadt, unmittelbar neben dem Rathaus, soll das neue „Viktoria-Quartier“ entstehen. Eine Mischung aus Einkaufen, Behörden und Wohnen, die das Areal in Zukunft neu beleben soll.
"Ich bin begeistert: Das neue Justizzentrum am Ostring ist eine architektonische Schönheit!"
Alte Fassade mit neuer Technologie
Wenige Gehminuten vom Bochumer Hauptbahnhof entfernt bringt nun die Justiz Leben auf die langjährige innerstädtische Brachfläche. Die moderne, abwechslungsreiche Architektur des Gebäudeensembles wird durch die Integration der historischen Fassade des ehemaligen Gymnasiums, das längst in einen Neubau umgezogen ist, ergänzt. Hinter den alten Mauern sind jetzt moderne Räume für die behördenübergreifende Nutzung eingezogen: Im Erdgeschoss wartet die Kantine auf Gäste, unter dem Dach ist eine Bibliothek eingerichtet und dazwischen gibt es Schulungs- und Prüfungsräume für die zahlreichen Referendare.
Durch ihre jeweiligen Fassaden sind die einzelnen Gebäude des Justizzentrums gut zu unterscheiden. Die moderne Energieversorgung im Inneren haben sie hingegen alle gemeinsam, denn das Thema Energieeffizienz hatte schon bei der Planung Priorität. Sogenannte Energiepfähle sorgen dafür, dass Geothermie genutzt werden kann: Die Erdwärme hilft, das Zentrum energiesparend zu heizen und im Sommer zu kühlen.
Die Komplexität dieses Projekts brachte naturgemäß einige Herausforderungen mit sich: Die – letztlich unbegründeten – Eingaben von einigen Firmen gegen das Ausschreibungsverfahren sowie ein Wasserschaden kurz vor der Fertigstellung sorgten für Verzögerungen, sodass die Justiz Flexibilität bewies und ihr neues Zuhause in zwei Etappen bezogen hat. Das genehmigte Budget konnte der BLB NRW trotz dieser Hürden einhalten.
Seine Festrede zur Eröffnung des neuen Justizzentrums schloss Norbert Lammert übrigens mit einer augenzwinkernden Bemerkung: „Ich bedanke mich für die freundliche Vorladung. Es würde mich freuen, wenn der erste Auftritt hier zugleich mein letzter wäre.“
Benno Tillmann
Projektmanager in der Niederlassung Dortmund
Fünf Behörden ziehen neu unter einem Dach zusammen, Sie haben das jetzt zehn Jahre begleitet. Wie bringt man die verschiedenen Interessen zusammen?
Durch häufige Kommunikation! Sobald das Raumprogramm festgezurrt war, haben wir alle zwei Wochen in einer Arbeitsgruppe mit Vertreterinnen und Vertretern aller Gerichte und des ambulanten sozialen Dienstes getagt. Durch den regelmäßigen Austausch haben alle schnell festgestellt, dass es sehr viel mehr Vorteile bringen kann, wenn man Räume gemeinsam nutzt.
Welche unterschiedlichen Vorstellungen gab es?
Jedem Nutzer waren ein paar Dinge besonders wichtig – aber in den meisten Fällen konnten wir Kompromisse finden. Zum Amtsgericht gehören etwa einige Abteilungen mit viel öffentlichem Verkehr, wie zum Beispiel die Grundbuchakten- Einsicht. Diese sollten möglichst nah am Eingang sein. Auf der anderen Seite waren Räume für die Staatsanwaltschaft erforderlich, die eher entfernt von öffentlichen Fluren liegen.
Ging das immer so gut?
Natürlich geht das nie ohne Reibung, auch weil man sich anfangs zum Teil nicht kannte. Dass sich die Gerichte den Saaltrakt nun teilen, war für einige Richterinnen und Richter durchaus eine Umstellung, weil sie sich vorher mit niemandem abstimmen mussten. Aber dadurch konnten wir eine große Breite an Sälen unterschiedlicher Größe realisieren – und so allen unter dem Strich viel mehr Möglichkeiten bieten.
Neben dem modernen Saalmanagement und der Integration der historischen Fassade – was war für Sie als Projektleiter das Besondere?
Bauen im Bestand einer ehemaligen Schule auf einem Grundstück, das als Güterbahnhofsgelände mit Altlasten- und Kampfmittelverdacht angetroffen wurde, war ein besonderer Anspruch an Stadtquartierserneuerung. Außerdem sollte das Justizzentrum nicht nur sicherer, sondern auch der gesamten Öffentlichkeit zugänglich sein. Darum haben wir besonders viel Mühe darauf verwandt, gute Bedingungen auch für Menschen mit Behinderungen zu schaffen. Um niemanden auszuschließen, haben wir uns mehrfach mit mehr als 20 Menschen mit unterschiedlichen Einschränkungen an einen Tisch gesetzt. Ich bin stolz darauf, nicht nur die gesetzlichen Normen zu erfüllen, sondern wirklich pragmatische Lösungen gefunden zu haben.
Vielen Dank für das Gespräch!